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Viertagewoche und Massage am Band

Der Vulkaniseurmeister hat eine Pilotenlizenz, spielt Golf und geht jagen: Andreas Groß hat den Fördergurt-Service im Kreis Görlitz gemeinsam mit seinem Bruder vom Vater übernommen und möchte ihn später an die Kinder weitergeben.

 

Viertagewoche und Massage am Band

 

Andreas und Peter Groß teilen sich friedlich das Geschäft mit Fördergurten in Sachsen und Bayern, jetzt auch an der Saar. Sie bewerben sich um den Unternehmerpreis.

Wenn der Vulkaniseurmeister Andreas Groß durch seine Werkräume führt, dann kneift ein Geruch wie im Fahrradkeller in die Nase. Nur stärker. Als würde eine ganze Familie alle Fahrradschläuche gleichzeitig mit neuen Flicken reparieren. 

Schwarze Gummirollen von Übermannshöhe stehen im Lager, eine davon schwebt am Hallenkran zur Konfektionierung. Doch auch farbige Rollen aus Kunststoff lagern in dem Betrieb in Vierkirchen nahe der A4-Ausfahrt Weißenberg im Kreis Görlitz. Denn der Fördergurt-Service Gebrüder Groß GmbH liefert sowohl schwere Bänder mit Stahlkern für den Tagebau als auch leichtere Transportbänder für Lebensmittel – zum Beispiel an die Molkerei Sachsenmilch und an Bäckereien.

Falls nachts das Havarie-Telefon in Vierkirchen klingelt, dann geht der Chef selbst an den Apparat. Schließlich wohnt Andreas Groß neben seiner Firmenzentrale. Dann klingelt er den Bereitschaftsdienst raus und bereitet auch schon mal Material für den Werkstattwagen vor. Doch auf Baustellen mit kilometerlangen Förderbändern für Kiesgrube oder Betonwerk ist der 41-jährige Geschäftsführer nur noch selten.

Vierkirchener kaufen Betrieb in Neunkirchen

„Vor fünf Jahren habe ich noch selbst Rechnungen und Angebote geschrieben“, berichtet Groß beim Rundgang unterm Hallenkran. Doch inzwischen ist seine Firmengruppe auf fast 100 Beschäftigte gewachsen und macht fast sechs Millionen Euro Umsatz im Jahr. Da hat der Mit-Inhaber viele Chef-Aufgaben. 

Zwar teilt sich Andreas Groß die Geschäftsführung mit seinem Bruder Peter und arbeitet auch seinen Sohn Erik ein. Doch Peter (32 Jahre) leitet die Niederlassungen in Bayern und lebt dort, und Erik (19) ist seit vorigem Jahr Betriebsleiter im Saarland. Denn auch im Corona-Jahr 2020 ist der Fördergurt-Service Gebrüder Groß gewachsen. Vierkirchen kaufte einen Betrieb in Neunkirchen. Ossi kauft Wessi. 

Ein älteres Ehepaar im Saarland wollte seinen Betrieb in gute Hände übergeben und fand sie bei den Gebrüdern Groß – bisher Kunden des Anlagenbauers aus dem Westen. Seitdem fährt Andreas Groß alle zwei Wochen an die Saar. Aber sein Sohn Peter ruft auch mal von dort an und berichtet von einem neuen Angebot für eine Bandanlage an einer Kiesgrube.

Corona bremst nur einen Teil der Kunden

Der Fördergurt-Service hat die Corona-Pandemie laut Andreas Groß nicht stark zu spüren bekommen. Der zugekaufte Betrieb im Saarland habe zwar Kunden wie Gießereien und Autozulieferer, denen es nun schlechter gehe. Doch mit insgesamt 2.500 Kunden habe die Firmengruppe Groß eine große Bandbreite an Abnehmern. 

Fördergurte mit verschiedenen Oberflächen werden in der Schwerindustrie und in Abfüllanlagen gebraucht, als Futterbänder laufen sie durch den Kuhstall, Roboter nutzen Zahnriemen. „Es wird ja alles automatisiert“, weiß Andreas Groß. Größere und breitere Gurte werden gebraucht.

Der Unternehmer aus Vierkirchen will kein Wachstum um jeden Preis, doch er rechnet mit mehr Geschäft im Ausland. Weil im Firmennamen ein „ö“ und ein „ß“ vorkommen, hat die Familie Groß fürs Auslandsgeschäft eine neue Marke namens German B.T. für Belting Technology eingeführt. Gerade hat ein Lkw Material abgeholt, um es in die Ukraine zu bringen. 

„Viele Firmen weltweit wollen gerne Produkte aus Deutschland“, sagt Groß. Gerne würde er zu Kunden nach Indien und Katar reisen, aber dabei macht ihm Corona tatsächlich einen Strich durch die Pläne.

Hier noch üblich: Gemeinsames Feierabendbier

Vielleicht kommt er stattdessen zu seinem Vorhaben, die große Scheune hinterm Sozialgebäude für die Kunststofftechnik auszubauen. Im Nachbardorf hat Groß noch eine Werkstatt, ein Reifenservice gehört auch zur Firmengruppe. Voriges Jahr hat das Familienunternehmen auch eine Niederlassung in Radebeul eingerichtet, mit Monteuren und Vertrieb. Denn vom „östlichen Zipfel“ des Landes aus lasse sich der Raum Dresden und Chemnitz doch nicht so gut erreichen, räumt Groß ein.

Die langen Fahrzeiten waren schon für seinen Vater und Firmengründer Uwe Groß der Grund, in der Produktion die Viertagewoche einzuführen. Lieber viermal in der Woche um 5.30 Uhr anfangen und nach zehn Stunden Arbeit noch ein Feierabendbier gemeinsam trinken, dafür aber regelmäßig einen freien Montag oder Freitag haben – mit dieser Regelung sind laut Andreas Groß alle Mitarbeiter zufrieden. Im Büro und für den Chef sei das freilich nicht möglich. Doch er betont den familiären Umgang im Betrieb. Er zahlt Kita-Zuschüsse und lässt, wenn nicht Corona dominiert, wöchentlich eine Physiotherapeutin kommen, bei der sich Angestellte massieren lassen können.

Mindestens einen Auszubildenden pro Jahr stellt das Unternehmen ein und findet laut Groß auch genügend Bewerber – unter anderem dank Praktika für Schüler aus dem benachbarten Weißenberg. Wenn es etwas zu feiern gibt im Betrieb, scheint sich die Groß-Familie nicht lumpen zu lassen: Das 30-jährige Firmenjubiläum 2019 war eine Dreitageparty mit zwei Wildschweinen, einem Ochsen, 20 Fässern Bier und Blasmusik.

Aus Bayern zurückgekehrt nach Sachsen

Da fällt es den Gebrüdern Groß auch nicht schwer zu betonen, dass sie beide sich in Sachsen so wohl fühlen wie in Bayern. Ost-West-Gerede brauchen sie nicht, sie suchen sich aus jeder Richtung das Schönste aus. In Bayern nämlich hat Andreas Groß seine Lehre gemacht, weil der Vater als Ingenieur ihn zunächst nicht selbst ausbilden durfte. Dann baute Andreas Groß in Bayern eine Niederlassung auf, wurde aber 2015 zum Rückkehrer und Chef in der sächsischen Zentrale. Er hält 65 Prozent der Anteile, nennt seinen jüngeren Bruder Peter aber gleichberechtigt. Peter ist Chef in Bayern, die beiden telefonieren viel und neigen angeblich von Natur aus nicht zum Streit.

Am Vater Uwe will sich Andreas Groß ein Vorbild darin nehmen, die Leitung früh in jüngere Hände zu geben: Schon mit 55 Jahren habe sein Vater Uwe Groß angefangen, Verantwortung abzugeben. Der Senior mit seinen 63 Jahren suche sich heutzutage aus, woran er mitarbeite, und feiere sonst „die Überstunden aus Jahrzehnten ab“.

Das Ziel: Gesunde Firma an die Kinder weitergeben

Andreas Groß räumt gerne ein, dass auch er „nicht bis 65 arbeiten“ möchte. Er sei nämlich ein Genießer, der gerne reist und gut isst. Im Firmenprospekt verrät er sogar, dass er in 20 Jahren gerne mit einer Zigarre auf der Terrasse säße. Doch in Bewegung bleibt er trotzdem: Andreas Groß hat eine Pilotenlizenz, spielt Golf und geht jagen.

Im Büro hängen ein Dynamo-Dresden-Trikot mit Autogrammen – und ein Familienwappen. Die Gebrüder Groß bereiten frühzeitig die Nachfolgeregelung für ihr Unternehmen vor. Andreas Groß beschreibt den Weg: „Ziel ist nicht, den größtmöglichen Gewinn rauszuquetschen, sondern die Übergabe einer gesunden Firma.“

Text: Georg Moeritz

Foto: Ronald Bonß

 

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