Jens Trepte vor dem Firmengebäude, einer ehemaligen Spinnmühle und späteren Möbelfabrik.
Produktion ist das Salz in der Suppe
Der Chemnitzer Ingenieurdienstleister "imk automotive" hat die Krise in der Automobilindustrie genutzt, um in eine neue Branche vorzustoßen. Firmenchef Jens Trepte wurde deshalb für den Unternehmerpreis nominiert.
Chemnitz. Versteckt am Stadtrand von Chemnitz im sehr dörflichen Ortsteil Kleinolbersdorf-Altenhain steht das auffällige Fabrikgebäude einer knapp 200 Jahre alten Baumwollspinnerei. Massive Eisentore und Zaunanlagen schützen das Gelände. Videoüberwachung und elektronisch gesicherte Eingangstüren zeugen davon, dass nicht jeder das sanierte Gebäude der ehemaligen Hößlerschen Spinnmühle und späteren Möbelfabrik der Familie Merkel betreten darf. "Mit Geheimhaltung können wir umgehen", versichert Jens Trepte, Geschäftsführer der "imk-Gruppe", eines internationalen Anbieters von Ingenieur- und Beratungsdienstleistungen sowie Hersteller von IT-Lösungen für die Fertigungsindustrie.
Seit knapp sechs Jahren werden in dem alten Fabrikgebäude vor allem für die Automobilindustrie neue Produkte und Konzepte entwickelt. "Wir sind ein Dienstleister in der frühen Phase der Produktentwicklung, bearbeiten Vorentwicklungsthemen und Konzeptentwicklungen. Das sind die geheimsten Dinge unserer Kunden", erklärt der 60-jährige Ingenieur die Hochsicherheitsvorkehrungen auf dem Firmengelände. Zwar arbeitet "imk" auch für Unternehmen der Luft- und Raumfahrt oder dem Maschinenbau, doch rund drei Viertel der Aufträge kommen aus der Automobilbranche.
Doch die steckt dieses Jahr in der Krise, die Aufträge für die Chemnitzer Ingenieure sind eingebrochen. Darauf musste das Unternehmen mit rund 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reagieren. "Die Automobilindustrie ist uns lieb und teuer, aber es ist auch ganz gut, wenn man noch in eine andere Branche geht, die dauerhaft stabil sein sollte und weiteres Wachstum zulässt", analysiert Trepte die Lage. Gesagt, getan. Der Firmenchef und sein Team entschieden sich, den Eintritt in die Medizintechnik zu wagen. "Die Automobilindustrie hat klare Standards. Wenn man die beherrscht, ist das Unternehmen gut gewappnet, auch in anderen Bereichen tätig zu werden", meint Trepte selbstbewusst.
Durch die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen in Dresden konnte "imk" bereits in die Medizinbranche reinschnuppern. Dem Partner wurde signalisiert, dass man gerne mehr Verantwortung übernehmen würde. "Die Dresdner haben gesagt, solange ihr unter unsere Geräte keine Räder und kein Fahrwerk baut, ist das ok", erzählt der Firmenchef, wie der erste größere Auftrag zustande gekommen ist.
Die Krise in der Autoindustrie wurde genutzt, um die Medizintechnik massiv hochzufahren. "Dadurch haben wir seit August in Summe wieder positive Erträge", freut sich der Geschäftsführer. In diesem Jahr erwartet die "imk-Gruppe" einen Umsatz von rund 6,5 Millionen Euro. Aber bereits im nächsten Jahr sollen es mehr als zehn Millionen Euro sein. Etwa die Hälfte davon im Bereich der Medizintechnik.
Derzeit entwickeln die imk-Ingenieure eine größere medizintechnische Anlage für die In-vitro-Diagnostik. Mit dem Gerät für größere Labore können DNA-Untersuchungen durchgeführt werden, aber auch PCR-Tests. Start der Produktion soll im März 2022 sein. Dafür soll auf dem Firmengelände ein neues Gebäude für die Fertigung entstehen, in das rund 2,3 Millionen Euro investiert wird. Eine weitere Million kostet die Vorbereitung der Produktion. Im Januar wird mit dem Bau begonnen, Ende nächsten Jahres soll das Projekt fertiggestellt sein. Die Produktionsanlagen werden selbst entwickelt und aufgebaut. "Dann kommt der Sprung ins kalte Wasser und wir müssen sofort losschwimmen", beschreibt Trepte die Herausforderung der Transformation von der Automobilbranche zur Medizintechnik.
Aber der frühere Entwicklungschef von Sachsenring in Zwickau ist optimistisch. "Diese Herausforderung ist für junge Ingenieure hochmotivierend", sagt Trepte. Schließlich hätte die Krise auch in seinem Unternehmen Ängste um den Arbeitsplatz ausgelöst, zeitweise seien Mitarbeiter in Kurzarbeit gegangen. Doch jetzt herrscht nach dem Eindruck des Firmenchefs Aufbruchstimmung, was auch mit der Vergangenheit eines Teils der Mannschaft zu tun hat. "Bei der Gründung im Jahr 2002 waren wir alle ehemalige Sachsenringer", erzählt Trepte. Es wurde immer entwickelt und dann auch produziert. "Produktion ist das Salz in der Suppe", sagt der Ingenieur. Es sei immer der Wunsch gewesen, wieder Dinge zu produzieren, die man selbst entwickelt habe, um dann auch das Feedback auf dem Markt zu bekommen. "Ich wollte nie verlängerte Werkbank spielen. Wenn man etwas macht, was alle machen, fehlt das Kribbeln", meint der promovierte Ingenieur.
Das inzwischen erwachsene Unternehmen arbeitet immer noch wie ein Start-up. Die Abgeschiedenheit in Kleinolbersdorf-Altenhain dient nicht nur der Geheimhaltung, sondern auch dem Freiraum, der für das Denken wichtig ist. "Wir haben eine offene Unternehmenskultur und entscheiden in der Führungscrew gemeinsam", versichert der Firmenchef, für den Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Grundlage für den Erfolg sei. Mit dem Begriff Familienunternehmen kann er allerdings nicht so viel anfangen. "Bei uns werden nicht nur Streicheleinheiten vergeben. Kritik sagen wir klar und deutlich, aber immer sachlich und konstruktiv", erklärt Trepte die Unternehmensphilosophie.
Neben dem Einstieg in die Medizintechnik wird derzeit auch der Vertrieb professionalisiert, um sich auch in der neuen Branche zurechtzufinden und eine Kundenvielfalt aufzubauen. Eine neue Vertriebschefin wurde bereits gefunden. Auch Mitarbeiter für die Produktion werden künftig gebraucht. "Wir haben noch viel vor und wollen solide wachsen", verspricht der Geschäftsführer von "imk".
Text: Christoph Ulrich
Foto: Uwe Mann