Sándor Mohácsi (38) setzt Unternehmen und gante Regionen ins richtige Licht.
Der Ideenspinner
Sándor Mohácsi hat Ballack und Calmund auf Reisen geschickt, den Sachsen-Anhaltern das Frühaufstehen erklärt – und in Cannes Gold gewonnnen. Jetzt bewirbt sich der 38-Jährige um den sächsischen Unternehmerpreis.
LEIPZIG - Kann man mit einem Werbefilm über die Chemieregion Bitterfeld in Cannes gewinnen? Produzent Sándor Mohácsi war selbst überrascht, als er am 27. September dieses Jahres bei der Gala in der südfranzösischen Filmmetropole zusammen mit Regisseur Marcus Hansmann auf die Bühne gerufen wurde. „Dass wir nominiert waren, wussten wir natürlich“, sagt der 38-Jährige. Deshalb waren die beiden ja an die Côte d’Azur gejettet. „Aber dass wir in der Kategorie „Werbefilm“ Gold gewinnen, damit hatten wir nie gerechnet.“
Dabei war „Original Bitterfeld – ein Tag in 125 Jahren“, so der Titel des 70-minütigen Streifens, den Mohácsis Agentur Commlab zusammen mit dem Chemiepark Bitterfeld-Wolfen produziert hat, in Cannes sogar als Eröffnungsfilm gelaufen. Fünf Stunden mussten sich die beiden Filmemachern dann gedulden, bis die Sieger bekanntgegeben wurden. „Als unser Name aufgerufen wurde, sprangen wir von den Stühlen auf.“ Und nahmen dann stolz die Trophäe entgehen. Nicht die Goldene Palme, die immer im Frühjahr für den besten Spielfilm vergeben wird, sondern den Goldenen Delphin für den besten Werbefilm.
Die Trophäe steht in der Commlab-Zentrale in Leipzig-Plagwitz, wo die 2005 gegründete Agentur unauffällig unter dem Dach eines Jugendstilaltbaus residiert. Ein Dutzend Mitarbeiter werkeln hier an den Projekten, auf der einen Seite der früheren Etagenwohnung wird geplant und organisiert, auf der anderen Seite die fertigen Filme geschnitten. Hinzu kommen Dutzende freier Mitarbeiter, die er jeweils für die unterschiedlichen Produktionen anheuert. „Beim bisher größtem Dreh waren wir am Ende allein hinter der Kamera 120 Leute.“
Dabei ist Commlab längst mehr als eine klassische Werbefilm-Produktion. „Das wollen wir auch nicht sein“, sagt der Chef. Viel lieber entwickelt er Leitideen für Unternehmen oder ganze Regionen – und setzt sie dann in Szene. „Ganz früher, da haben wir uns als Filmproduktion gegründet. Aber wir haben uns weiterentwickelt.“ Jetzt liefere man komplette Konzeptideen und Kampagnen – und setze sie dann auch um. „Wir spinnen Ideen zusammen – und meistens kommt dann nicht nur ein Film heraus.“
Bestes Beispiel: Für die Wirtschaftsjunioren sollte Mohácsi 2010 einen Bewerbungsfilm drehen, um den Weltkongress der Organisation nach Leipzig zu holen. Drei Jahre später war er Bundesvorsitzender – und organisierte dann 2014 den Weltkongress, den der Kreisverband erfolgreich nach Leipzig geholt hatte, als Geschäftsführer selbst mit. Inzwischen sitzt Mohácsi als ehrenamtlicher Vizepräsident im Präsidium der Leipziger Industrie- und Handelskammer. „Ich möchte einfach die Region mitgestalten. Das kann man nur, wenn man sich engagiert.“
Auch der Bitterfeld-Film wurde am Ende alles andere als ein typischer Werbestreifen. „Das ist ein Dokumentarfilm. Das ist mir wichtig.“ Dabei hatte der Chemiepark zunächst tatsächlich einen klassischen Imagefilm bestellt. Der sollte anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Chemiestandorts in diesem Jahr gezeigt werden. Doch stattdessen fing Mohácsi erst einmal an, nach einer verbindenden Idee für die Chemieregion zu suchen – und traf bei der Recherche vor Ort auf so viele spannende Menschen, dass er vorschlug, stattdessen einen umfangreichen Dokumentarfilm zu machen. „Das wurde dann ein völlig anderer Film. Einer, der die Region so zeigt, wie sie ist – authentisch und unverblümt. Und den Menschen hilft, ihren Stolz zurückzuerhalten.“ Und das hat für Mohácsi auch ganz persönliche Gründe: Sein 1984 verstorbener Vater, der einst aus Ungarn in die DDR gekommen war, hatte in eben jener Filmfabrik Wolfen gearbeitet, die jetzt auch im Film des Sohnes eine tragende Rolle spielt.
Mehr als 30 Tage lang wurde in Bitterfeld-Wolfen gedreht, aus dem Material dann ein typischer Sommertag im Chemiepark zusammengeschnitten. Hauptfiguren sind Lokführer Jürgen Ohme und Sicherheitsmann Michael Pratsch, die den Zuschauer durch ihre Region führen. Inzwischen läuft der Film sogar im Kino – seit Mitte Dezember im Industrie- und Filmmuseum Wolfen, ab Januar auch in Leipzig. Das sei schon ein tolles Gefühl, sagt der Produzent. „Unsere Filme laufen zwar viel im Kino – aber sonst eher im Werbeblock.“
Zum Film gekommen war Mohácsi eher durch Zufall – über die aufstrebende Schülerzeitung „Spikker“ in seiner Geburtsstadt Halle. Mit 14 hatte er dort neben der Schule angefangen, mit 18 baute er dort, inzwischen als Azubi zum Verlagskaufmann, das TV-Magazin „Milchbar“ mit auf, das dann in ganz Mitteldeutschland im Lokalfernsehen lief.
Schon ein Jahr später machte er 1999 zusammen mit einigen Mitstreitern des „Spikkers“ die erste Filmagentur auf: Schmidtz Katze. „Da haben wir schon fürs ZDF produziert, und für den MDR rauf und runter.“ Nebenbei studierte er berufsbegleitend in München TV-Produktionsmanagement und in der Schweiz Business Administration.
2005 – mit 25 – gründete er in Leipzig dann seine heutige Firma Commlab. Das erste Projekt? Das war für das Land Sachsen-Anhalt – für die damals neue Kampagne „Wir stehen früher auf“. „Wir waren nicht der Erfinder dieses Claims“, wehrt Mohácsi sofort ab. Seine Aufgabe war es dann aber, den schon damals umstrittenen Slogan filmisch ins richtige Licht zu rücken. Danach kamen immer mehr Aufträge: vom Bundeskanzleramt, von Ministerien und Verbänden, von Unternehmen, allen voran BMW.
Und dann kam Unister. 2010 erhielt Commlab den Zuschlag für deren TV-Spots mit Reiner Calmund für fluege.de und Michael Ballack für ab-in-den-urlaub.de. „Das haben wir alles entwickelt und produziert, von der Idee bis hin zur Ausstrahlung.“ Für die Firma mit damals gerade einmal fünf Mitarbeitern war das ein gewaltiger Wachstumsschub. Die Belegschaft wurde mehr als verdoppelt, 2011 kratzte der Umsatz erstmals an der Millionengrenze – wo er auch heute wieder liegt, obwohl vom inzwischen insolventen Leipziger Internetriesen längst nichts mehr kommt.
„Manchmal drehen wir in einem Monat auf allen Erdteilen – in Madrid, in Helsinki und Paris, waren in New York, Tokio, Kapstadt und Sydney.“ Manche Projekte dauern weniger als eine Woche, andere ein halbes Jahr. Mohácsi selbst tritt bei den Reisen inzwischen aber kürzer. Denn seit anderthalb Jahren hat er zusammen mit seiner Partnerin eine Tochter. „Das hat mein Leben von heute auf morgen verändert.“ Seither sei er lieber daheim in Leipzig, verbringt Zeit mit seiner Tochter, hat sogar für die Elternzeit bei der eigenen Firma ausgesetzt. Da bleibe auch keine Zeit mehr für seine frühere Leidenschaft: das Segeln. „Ich würde ja gern mal wieder. Aber dafür ist mir die Zeit mit Annabell Amalia jetzt zu kostbar.“
Text: Frank Johannsen
Foto: Dirk Knofe