Haben das Duftmarketing zum Lebenswerk gemacht: Anke und Jens Reißmann (r.) sowie Hendrik Herrbach sind für den Unternehmerpreis nominiert.
Die Angst sitzt mit im Wartezimmer. Viele Zahnarzt-Patienten warten mit schweißnassen Händen und einem lauen Gefühl im Magen auf ihre Behandlungen. Nach Umfragen haben rund 70 Prozent der deutschen Bevölkerung Angst vor dem Bohrer, den unangenehmen Gerüchen und dem Ausgeliefertsein auf dem Zahnarztstuhl. Für den Unternehmer Jens Reißmann, der sich seit Jahren mit Duftmarketing beschäftigte, steckte in dieser Angst eine Geschäftsidee. Er entwickelte einen Anti-Angst-Duft. „Als Angstblocker habe ich vor allem Lavendel und Orange eingesetzt“, erklärt Reißmann den Duft, der die Ängste der Patienten lindern soll. Im vergangenen Jahr stellte seine Meeraner Firma Reima Air-Concept GmbH den neuen Duft auf den Messen Euroshop in Düsseldorf und der Internationalen Dentalschau in Köln vor. „Wir waren über die Resonanz erstaunt“, erzählt Reißmann. Inzwischen beliefert Reima weltweit mehrere Tausend Zahnärzte, einige Hundert davon in Deutschland, mit dem beruhigenden Duft.
Reißmann beschäftigt sich seit 1997 mit Duftmarketing. Als Parfüme ist er Autodidakt. Eigentlich hat er Buchdrucker gelernt. Aber ein Artikel über den Erfolg von Duftmarketing in den USA und Japan brachte ihn auf die Geschäftsidee, statt sich dem visuellen Blick zu widmen, auf die olfaktorischen Sinne zu setzen. Sein Credo als Seiteneinsteiger: „Wenn man etwas wirklich will, kann man alles erreichen.“
Das Konzept des Duftmarketings ist simpel. Der Mensch entscheidet binnen Sekunden, ob er jemanden oder etwas riechen kann oder nicht. Die Folge: Wo es gut riecht, halten sich die Kunden länger auf, wo es stinkt, flüchten sie. So ließ sich zum Beispiel in einem Supermarkt der Orangenverkauf verdoppeln, weil ein entsprechender Duft den Kunden das emotionale Erlebnis frisch riechender Früchte vermittelte. Der Verkauf zog innerhalb eines Jahres von drei auf sechs Tonnen an.
Heute ist die Reima Air-Concept GmbH eines der führenden Unternehmen auf dem Markt des Duftmarketings. Das Meraner Unternehmen liefert über Haupthändler und Niederlassungen weltweit in über 80 Länder. Mehr als 350 verschiedene Düfte werden serienmäßig konfektioniert. Zum Geschäft gehören auch professionelle Geräte und Anlagen, die die Duft- und Aromastoffe in den Räumen für den gewerblichen Einsatz verteilen. Ein weiterer Kernbereich besteht in der Produktion von Raumluft- und Textilerfrischern sowie einem Staubsaugerduft mit Geruchsabsorber für den gewerblichen Einsatz in der Gastronomie, Hotellerie und im Altenpflegebereich. Hinzu kam seit dem Jahr 2000 die Entwicklung, Produktion und der Vertrieb von innovativen Autopflegeprodukten unter dem Markennamen Reimair.
Zu den neuesten Aufträgen gehört die Duft-Ausstattung der Flughäfen in Saudi-Arabien. Reißmann schätzt, dass dafür jährlich bis zu 2000 Liter Duft geliefert werden müssen. Neben Flughäfen sind Shopping-Malls, Tankstellen und Möbelhäuser wichtige Kunden. Als Weltneuheit wurde im vergangenen Jahr ein Video-Duft-Display vorgestellt. Es verfügt über einen 42-Zoll-LCD-Bildschirm, zwei Lautsprecher und ein serienmäßig integriertes Raumduftgerät. Gedacht ist es zum Beispiel dazu, in einem Möbelhaus auf das Café in der dritten Etage hinzuweisen und den Kunden mit angenehmem Kaffee- und Kuchenduft Lust auf den Besuch zu machen. „Es ist ein Blickfang für die Nase“, meint Reißmann.
Das Familienunternehmen mit derzeit 21 Mitarbeitern wird von Jens Reißmann und Hendrik Hernach geführt. Die Anteile am Unternehmen halten ihre Ehefrauen, 90 Prozent davon Anke Reißmann. Das Unternehmen ist auf Wachstumskurs. Die vergangenen zwei Jahre stieg der Umsatz nach Angaben Herrbachs jeweils um 40 Prozent auf einen hohen siebenstelligen Betrag. 70 Prozent des Umsatzes werden mit Kunden im Ausland erwirtschaftet. In zwei Jahren will die Duftfirma die Umsatzschwelle von 10 Millionen Euro erreichen. 2017 wurden vier neue Mitarbeiter eingestellt, zwei weitere sollen dieses Jahr folgen.
Allerdings lief es nicht immer so rund. Die Finanzmarktkrise hat auch beim Duftmarketing ins Kontor geschlagen. „Von heute auf morgen brach der Markt in Russland weg“, berichtet Reißmann. Damals gab es auch bei Reima Kurzarbeit, aber mit neuen Ideen und Produkten ging es nach und nach wieder aufwärts. Im November 2013 wurde ein eigenes Firmengebäude im Gewerbegebiet von Meerane bezogen.
Stolz ist Reißmann, dass sein Unternehmen bereits vor zehn Jahren als erstes „Familienfreundliches Unternehmen“ der Wirtschaftsregion Chemnitz-Zwickau ausgezeichnet wurde. „Wir brauchen Mitarbeiter mit hoher Qualifikation, die mehrere Sprachen können, um mit unserer internationalen Kundschaft kommunizieren zu können“, meint Reißmann. Und wenn sie eine gute Nase haben, sei das natürlich auch nicht verkehrt.
Text: Christoph Ulrich
Foto: Kristin Schmidt