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Gründer aufgepasst!

Chefarzt-Behandlung für den fittesten Gründer

Der Freistaat sucht sein bestes Start-up. Dem Sieger winkt eine Unternehmerreise mit der Wirtschaftsförderung Sachsen.

Eins muss dem Sieger klar sein: „Wir vergeben keinen Urlaub, sondern Arbeit“, sagt Thomas Richter von der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS). Der Abteilungsleiter Absatzförderung hält die Idee, Sachsens besten Firmengründer 2017 mit einer Auslandsreise seines Hauses zu beglücken, für toll. Und das nicht, um die Teilnehmerzahl künstlich in die Höhe zu schrauben. Denn über mangelnden Zuspruch brauchen sich Sachsens Standortwerber bei ihren weltweiten Gruppentrips zu Markterkundung, Kontaktanbahnung und -pflege nicht zu beklagen.

Seit ihrer Gründung 1991 hat die WFS 329 Delegations- und Unternehmerreisen mit 3 733 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in 63 Länder organisiert und begleitet. Zu den Teilnehmern zählten auch Wiederholungstäter wie die VTD Vakuumtechnik Dresden GmbH, ein Anbieter von Beschichtungssystemen, und der Chemnitzer Werkzeugmaschinenbauer Heckert GmbH. Der mit Abstand am häufigsten besuchte Staat war Russland – trotz der seit drei Jahren geltenden Sanktionen des Westens wegen des Ukraine-Konflikts. Polen und die VR China folgen gleichauf.

Derzeit weilt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) in Japan. Im 42- köpfigen Gefolge aus Wirtschaft und Politik sind auch Vertreter von 17 Unternehmen und Instituten. Gehört das „Land der aufgehenden Sonne“ mit rund 50 Adressen dortiger Investoren im Freistaat schon zu den etablierten Partnern Sachsens, so betritt die WFS bei solchen Touren mit und ohne politischen Beistand auch immer wieder Neuland. So steht in diesem Jahr erstmals Indonesien im Programm.

Das landeseigene Unternehmen wirbt seit über 25 Jahren für den Wirtschaftsstandort Sachsen und berät potenzielle Investoren von der Idee bis zur Realisierung einer Ansiedlung. Zum kostenfreien Service der 52 Mitarbeiter gehören individuelle Standortangebote, Kontaktvermittlung zu Entscheidern bei Kommunen und Freistaat sowie Informationen zu Fördermöglichkeiten. Bereits im Freistaat ansässige Unternehmen unterstützt die WFS bei der Anbahnung von Kooperationen und in ihren Exportbestrebungen. Der Jahresumsatz beträgt etwa neun Millionen Euro und wird etwa zur Hälfte von Sachsens Finanzministerium als Gesellschaftervertreter getragen. „Den Rest erzielen wir aus Geschäftsbesorgungsverträgen mit anderen Ministerien, Staatskanzlei und einem EUProjekt“, sagt Geschäftsführer Nothnagel.

Für 2017 sind bislang 18 Delegationsund Unternehmerreisen ins Ausland vorgesehen. „Wir sitzen nicht zu Jahresbeginn vor dem Globus und suchen nach irgendwelchen Zielen oder werfen mit Dartpfeilen auf eine Landkarte“, scherzt der WFSChef. Die Besuchsadressen würden nach Erfordernissen der hiesigen Wirtschaft und Förderschwerpunkten seines Hauses ausgesucht, der Tross mit Bedacht zusammengestellt, sagt der 60-Jährige. Die teilnehmenden Firmen seien meist klein.

„Wir hatten schon manchen Youngster dabei“, sagt Nothnagel. Der Diplom-Ingenieur mit Robotron-Vergangenheit in Sömmerda und Dresden leitet seit fast sieben Jahren die Geschicke der WFS. „Wir wollen Reisen mehr für Start-ups öffnen und auf sie zuschneiden“, sagt der Geschäftsführer. So kam ihm das Ansinnen der SZ durchaus entgegen, Sachsens bestem Gründer 2017 eine kostenfreie Teilnahme an einem Trip seiner Wahl zu ermöglichen. Dessen Reisekosten teilen sich die Hauptsponsoren des Wettbewerbs „Sachsens Unternehmer des Jahres“, der, 2006 von der SZ ins Leben gerufen, derzeit zum 12. Mal stattfindet.

„Womöglich trifft der Sieger ja auf andere Start-ups“, sagt WFS-Abteilungsleiter Thomas Richter. Er erlebe es immer wieder, dass Teilnehmer danach untereinander Geschäfte machten – ein wertvoller Zusatznutzen. Solche Reisen hätten neben dem womöglich ersten unternehmerischen Schritt ins Ausland weiteres Potenzial, sagt Richter. „Es entsteht ein Gruppeneffekt und vielleicht sogar ein Netzwerk.“ Womöglich angle sich der pfiffige aber unerfahrene Gründer auf diese Weise einen Coach, der ihn ein Stück betreut.

„Ein weiteres Plus wäre die Begleitung durch sächsische Spitzenpolitiker“, ergänzt Peter Nothnagel. Solche Delegationen machten etwa ein Viertel aller Unternehmerreisen aus. Der jeweilige Landesvater oder Kabinettskollegen seien dann Türöffner zu höchsten politischen und wirtschaftlichen Kreisen. Gerade in Asien und im arabischen Raum begegne man sich gern auf Augenhöhe. Firmenvertreter im Gefolge, und so auch Sachsens Gründer des Jahres, bekämen so beim Gastgeber eine Art Chefarzt-Behandlung. „Etwas Glanz bleibt an ihnen hängen – auch bis zum nächsten Besuch im Land“, sagt Nothnagel. Doch Organisation und Begleitung von Unternehmerreisen sind nur ein Teil der außenwirtschaftlichen Angebote, welche die WFS für Unternehmen und Forschungseinrichtungen vorhält. Die selbst ernannten Brückenbauer sind 2017 zudem auf 15 internationalen Leitmessen mit einem „Sachsen-live“-Stand vor Ort sowie mit zehn „Sachsen genießen“-Ständen auf nationalen und internationalen Messen der Ernährungswirtschaft. Kooperationsbörsen, Wirtschaftsforen und Fachtagungen stehen ebenfalls im Kalender. So werde in einem Monat zum Messedoppel Z/Intec in Leipzig ein Dreiländertreffen Sachsen- Tschechien-Polen veranstaltet, heißt es. Im Rahmen einer Außenwirtschaftswoche Anfang April würden auf einer Fachtagung „Markteintritt und -erweiterung in Tschechien, Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien“ mit Experten von dort erörtert.

Wenn am 19. Mai Sachsens Gründer des Jahres gekürt wird, dann war Wirtschaftsminister Martin Dulig zwar gerade in Südafrika und Mosambik. Und Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) sitzt schon auf gepackten Koffern, um in die Vereinigten Arabischen Emirate aufzubrechen. Dennoch bleibt dem Gründer-Champion eine lukrative Auswahl – mit und ohne politische Türöffner: So geht es im Juni mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) branchenübergreifend nach Rumänien.

Ferner ist im 2. Halbjahr eine Reise für die Autobranche sowie Maschinen- und Anlagenbauer in den Mittleren Westen der USA geplant. Mehrfach ist erneut Russland Reiseziel – mit Adressen des Maschinen- und Anlagenbaus, der Elektromobilität, des Strukturleichtbaus und für neue Materialien. Und im September steht ein Trip mit Autozulieferern, Automatisierungs- und Energietechnikern nach Mexiko an.

Na, auch vom Fernweh geplagt? Start-ups können sich mit ihrem Projekt noch bis zum
24. Februar um so ein kostenfreies All-Inklusive-Paket der WFS bewerben.

Text: Michael Rothe
Foto: dpa/Burgi, kairospress

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