Immer wieder für kreative Lösungen gut: Unternehmerin Petra Wallasch von der Firma Rapidobject in Leipzig
Eine gläserne Fabrik für den 3D-Druck
Unternehmer zu sein, heißt für Petra Wallasch eine Idee zu haben und diese konsequent zu verfolgen. Die Leipzigerin hat ihre Firma Rapidobject durch Hochs und Tiefs geführt. Ihre Kollegen haben sie für den Unternehmerpreis vorgeschlagen.
„Mit unserem 3D-Haus wollen wir den Mittelstand stärken und zukunftssicher machen.“ - Petra Wallsch, Geschäftsführerin
LEIPZIG — Könnte der kleine Major Tom reden, würde er vermutlich nicht aufhören zu erzählen. So viel hat er gesehen. Denn die von der Leipziger Firma Rapidobject 3D-ge- druckte Figur flog im April 2018 mit der SpaceX-14 zur Internationalen Raumstation ISS, um dort die Horizons-Mission zu begleiten. Insgesamt umrundete das 3D-Druckmodell die Erde 3000-mal, legte dabei über 130 Millionen Kilometer zurück und landete im Januar 2019 wohlbehalten wieder auf der Erde.
Stolz und lächelnd steht Major Tom im Musterregal von Rapidobject, hat dort einen Ehrenplatz. Neben ihm finden sich Bauelemente für Maschinen und Anlagen, elastische Vorrichtungen, Griffe für medizinische Geräte sowie Baugruppen mit Dichtungen, Scheinwerfer und Lampenschirme, ebenso wie Zierteile, Halterungen und flexible Schläuche.
„Es gibt so gut wie nichts, das man nicht im 3D-Druckverfahren herstellen kann“, sagt Firmenchefin Petra Wallasch und erzählt von dem Architekt, der ein Haus in Spielzeugformat drucken ließ, um Immobilien-Interessenten einen besseren Eindruck von ihrem künftigen Zu- hause zu verschaffen.
Gedruckt hat die Firma ferner ein Kunststoff-Skelett für die Mediziner-Ausbildung oder ein gut ein Meter hohes Abbild des Leipziger Völkerschlachtdenkmals. Es ist für seh- behinderte Besucher des Denkmals gedacht. Tastend können sie sich einen Eindruck von dem gewaltigen Bauwerk machen.
Fertigte Rapidobject zu Beginn vorwiegend Einzelstücke, die den Auftraggebern als Demonstrationsobjekte etwa auf Messen dienen, kommt seit geraumer Zeit die Serienfertigung hinzu. „Die Firmen er- kennen nach und nach die Vorteile vom 3D-Druck“, sagt die 63-Jährige. In vielen Anwendungsbereichen sei die Technik einfach schneller und billiger.
Auch hier hat die Chefin ein anschauliches Beispiel zur Hand. Sie zeigt auf ein Bauteil eines Industriestaubsaugers, der in einer Scheibenmühle zum Einsatz kommt. Bisher wurde das Bauteil aus acht Einzelkomponenten gefertigt – jedes im Spritzgussverfahren hergestellt, für das je ein Werkzeug in der jeweiligen Form extra angefertigt werden musste. Bei Rapidobject kommt das Bauteil als Ganzes aus dem Drucker. „Wir fertigen den Staubsaugeranschluss in einem Arbeitsschritt. Das spart Zeit und Kosten. Denn die Entwicklung und Fertigung der Werk- zeuge entfällt, ebenso die Lagerhaltung.“
2006 hat die studierte Betriebswirtin einem Leipziger Reprounter- nehmen den Rücken gekehrt, bei dem sie zuvor Geschäftsführerin war. Die Differenzen zwischen den Gesellschaftern und ihr seien zu groß gewesen, sagt sie. Die Entscheidung sei ihr nicht leichtgefallen, resümiert sie heute. „Aber es war die richtige.“ Denn Petra Wallasch löste die Sparte Realityservice (die heutige Rapidobject GmbH) aus der alten Firma, wo man dem 3D-Druck wenig Chancen einräumte, und machte sich damit selbstständig.
Um das Management-Buy-Out zum Laufen zu bringen, investierte die gebürtige Leipzigerin private Mittel, einschließlich ihrer Abfindung. „Am Anfang waren wir zu zweit: ein Azubi und ich“, erinnert sie sich. Heute hat Rapidobject 30 Beschäftigte, darunter ist auch der Azubi, der eine leitende Funktion im Vertrieb hat. Lag der Umsatz 2010 noch bei knapp 50. 000 Euro, kletterte er im vorigen Jahr auf rund sechs Millionen Euro. „Gewinne schreiben wir seit 2012“, sagt Wal- lasch mit einem Lächeln, um schnell anzufügen, dass die letzten Jahre alles andere als ein Kinderspiel waren.
„Corona hat uns zum Teil aus der Bahn geworfen. Viele unserer Abnehmer aus der Industrie mussten auf Kurzarbeit umstellen, da rutschten bei uns natürlich die Aufträge in den Keller.“ Doch Däumchen drehen ist nichts für die quirlige Unternehmerin. Sie ließ Gesichtsvisiere fertigen, die etwa in Pflegeheimen oder Krankenhäusern besseren Schutz vor einer Ansteckung bieten sollten. Obwohl es zu dieser Zeit noch keine Maskenpflicht gab, wollte kein Heim und kein Krankenhaus die Visiere haben. „Das hat mich überrascht.“ Aber nicht umgeworfen. Die Visiere wurden anderweitig an den Mann und die Frau gebracht. Unter anderem gingen über 200 Stück an den Stadtverband der Hörgeschädigten Leipzig. „Dort waren die Visiere mehr als willkommen, da die Gebärdensprache auf das Lippenlesen angewiesen ist und mit Mundschutz ist das nur eingeschränkt möglich.“
Corona brachte noch etwas anderes: gestörte Lieferketten. Und damit neue Kunden für Rapidobject. Denn statt wochen- oder gar monatelang auf dringend benötigte Teile etwa aus Asien zu warten“, erzählt Prokurist Oliver Jan Wagner, „entdeckten viele Firmen die Möglichkeiten des 3D-Drucks für sich.“ Bei Rapidobject kommen heute zahlreiche Materialien zum Einsatz, wie Silikongummi, Polyamid, eine Vielzahl weiterer Kunststoffe oder Metall. „Wir füllen diese Materialien in Pulverform in unsere Maschinen. Unsichtbare Laser verschmelzen das in unzähligen dünnen Schichten aufgetragene Material mit hoher Präzision zu den gewünschten Teilen.“ Egal welche Formen oder Größe gewünscht sei.
Petra Wallasch sei mit ihrer Firma organisch gewachsen, sagt der Prokurist. Ohne jegliche externe Investition. „Gewinne werden zielgerichtet in die Anschaffung neuer Technik investiert“, so Wagner. Dank der eigenen CAD und eigener Forschungs- und Entwicklungsabteilung könne man jetzt auch Produkte in ihrer Topologie optimieren, sprich die Form der Bauteile folgt nur noch der Funktion und der simulierten Kräfteeinwirkung, die wirklich für das Produkt nötig ist. Damit können leichte und dennoch stabile Bauteile erstellt werden. In einem anderen Raum, in den er führt, wird durch chemisches Glätten die Oberfläche des Materials versiegelt und widerstandsfähiger gemacht. Auch dieser Bereich sei neu. Seine Chefin erschließe für die Firma ständig neue Geschäftsfelder. „Sie hat Visionen, und die verfolgt sie konsequent.“
So auch aktuell. Petra Wallasch hat in dem Plagwitzer Industriebau weitere 1000 Quadratmeter dazu gemietet, um sich einen lang ersehnten Traum zu erfüllen, wie sie sagt. Ihr schwebt ein 3D-Haus vor, eine Art Gläserne Fabrik mit der neuesten Technik zum Anfassen.
„Deutschland war lange Zeit führend im 3D-Druck“, sagt sie. „Doch wir sind hinter China, Südkorea und andere Nationen zurückgefallen.“ In der Gläsernen Fabrik will sie vor allem den Mittelstand von den Möglichkeiten der neuen Technik überzeugen. „Wir werden auch Schulungen für Mitarbeiter anderer Firmen anbieten.“ Ihre Vision ist es, dass je- de Firma 3D-Drucker und versiertes Personal hat, um sich schnell selbst mit den notwendigen Teilen zu versorgen. Für kompliziertere Aufgaben sind dann Firmen wie Rapidobject da. Auch möchte Rapidobject den Firmen über Beratungsaufträge quasi eine Abkürzung zeigen, um so die eigene jahrelange Entwicklung zu Produktivität, Qualität und Effizienz im 3D-Druck innerhalb kürzerer Zeit in den Firmen zu etablieren.
In ihrem Büro mit der riesigen Industriefensterfront hängt ein zehn- teiliges Gemälde. Es zeigt die Geschichte Leipzigs von der Gründung der Stadt bis in die Neuzeit. Bach ist zu sehen, triste graue DDR-Bauten, der Mendebrunnen, das Völkerschlachtdenkmal sowie frisch sanierte Häuserfassaden mit farben- frohen Werbeschriftzügen. „Was fehlt“, sagt sie, „ist die Wirtschaft, das Handwerk und der Mittelstand, die all den Wohlstand, den wir heute vorfinden, erst ermöglichen.“
Auf die Frage, was einen Unternehmer auszeichnet, sagt sie: „Eine Idee haben und diese konsequent verfolgen. Ins Risiko gehen. Wenn man hinfällt, wieder aufstehen.“ Eigentlich, sagt sie dann mit leiser Stimme, müsste sie sich um einen Nachfolger kümmern. Doch noch denkt Petra Wallasch nicht ans Aufhören. Das Projekt Gläserne Fabrik beschäftigt sie voll und ganz.
„Mit unserem 3D-Haus wollen wir den Mittelstand stärken und zukunftssicher machen – so die Herausforderungen der digitalen Transformation meistern“, sagt sie. Nur so könne es gelingen, den Produktionsstandort Deutschland unabhängig zu machen. Klar, eine Art Erlebniswelt mit 3D-Food-Drucker müsse es in der Gläsernen Fabrik aber auch geben, fügt sie an. Überhaupt habe sie einige Ideen, wie man auch Leute von der Straße sowie Schüler und Studenten anlocken kann, um sie für die Technik zu interessieren und sie vielleicht sogar zu begeistern. Nach Aufhören hört sich das in der Tat nicht an.
Text: Michael Rothe
Foto: Andre Kempner