News

Ein Fensterbauer, der aus dem Rahmen fällt

Bei Lutz Hiller, Inhaber und Chef der Meissner Fenstertechnik GmbH in Niederau, glänzt nicht nur die Verpackungsfolie.

Lutz Hiller, Chef der Meissner Fenstertechnik, wächst mit Augenmaß und gibt auch jenen eine 2. Chance, die im Leben mal falsch abgebogen sind. Ein Kandidat für Sachsens Unternehmerpreis.

 

Ein Fensterbauer, der aus dem Rahmen fällt

Wenn Lutz Hiller, Inhaber und Chef der Meissner Fenstertechnik GmbH, zur Raucherpause auf den Balkon seines Büros geht, dann genießt er den Blick auf zehn grasende Sikahirsche neben der Fabrikhalle, auf beschauliche Felder, sanfte Hügel. Irgendwo am Horizont ist Meißen. Doch es war weniger die Aussicht als unternehmerische Weitsicht, die den 63-Jährigen bewegte, am Autobahndreieck Nossen eine Niederlassung auf- und auszubauen.

Als der Geho Fenster- und Bauelemente GmbH der Nachfolger fehlt, nutzt der fischelante Sachse die Chance und übernimmt 2020 die perfekt gelegene Immobilie und zehn Leute. Durch den Zukauf erhöht sich Belegschaft auf 115 Mitarbeitende und der Umsatz auf fast

23 Millionen Euro. Nunmehr verarbeiten drei Werke – zwei davon am Firmensitz in Niederau bei Meißen – pro Jahr etwa 100.000 Quadratmeter Glas zu Kunststofffenstern und Türen. Zugleich hat Hiller die Basis für weiteres Wachstum gelegt.

Sein 2000 gegründetes Unternehmen hat sich zum namhaften Systemanwender von Aluplast und Schüco Profilsystemen entwickelt. Haustüren, Schrägelemente, Parallel-Schiebe-Kipp- und Hebeschiebetüren sowie Insektenschutzrahmen und Rollläden ergänzen das Portfolio. Das Unternehmen vertreibt seine Produkte ausschließlich über den Fachhandel in Deutschland, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und Luxemburg. Zu den Abnehmern zählen auch die Baumarktkette Obi und Fertighaushersteller wie Kampa.

Durch Umbau und ständige Flächenerweiterung gelingt es Hiller, Abläufe geradlinig und mit geringstem Transportaufwand durch die Fertigungshalle zu führen und dennoch flexibel zu produzieren. Der gebürtige Dresdner investiert fortlaufend in moderne Bearbeitungszentren, Schweißroboter, CNC-Maschinen und Technologien. So entsteht im aufgestockten Verwaltungstrakt in Niederau ein Schulungszentrum mit interaktiver Multimediawand – beste Voraussetzung für Schulungen von Kunden, Geschäftspartnern und Tagungen.

Die Meissner Fenstertechnik ist mit der WWP-Technologie der Zeit voraus. Damit werden Farb- und Holzdekore bis zur Fuge verschweißt, verschwinden störende verputzte Nähte an Fensterecken, entsteht eine elegante und stabile Verbindung. Das Unternehmen animiert Kunden zum energiebewussten Bauen – auch mit Rahmen, welche die Anforderungen eines Passivhauses erfüllen und durch bessere Wärmedämmung Heizenergie sparen. Ein auf CO2-reduzierte Motoren umgestellter Fuhrpark, der optimierte Tourenplan und Solarmodule auf allen geeigneten Dächern sind weitere Pluspunkte in Sachen Umweltschutz.

Glück und Kollege Zufall spielen mit

Hiller, ein gelernter Instandhaltungsmechaniker, hatte nach eigenem Bekunden viel Glück im Leben: in der DDR mit Verkaufstalent und nötigem Mundwerk, 1984 mit dem bewilligten Ausreiseantrag in den Westen und dem Neustart bei Köln, als er erstmals mit einem Fensterbauer Kontakt hatte und später dessen Niederlassung nahe seiner Heimatstadt aufbauen sollte.

Der Sprung in die Selbstständigkeit mit anfangs zehn Leuten glückt ebenso. „Ich wollte nicht mehr Schmidtchen sondern auch mal Schmidt sein“, blickt der Quereinsteiger auf die Zeit in den alten Hallen des BMK Coswig zurück. Eine Schulsanierung in Riesa wird zum Türöffner für große Projekte. „Mit der Sanierung von Plattenbauten und dem Altmarktkarree haben wir Dresden aufgemischt“, schwärmt Hiller.

Eine Erfolgsgeschichte, die anhält. Nur im Ehrenamt hat der Ex-Präsident des Dresdner Sportclubs weniger Fortune. Der sportliche und finanzielle Absturz des Fußballvereins, dessen Nachwuchs er noch immer unterstützt, macht ihn traurig.

Aber selbst die Pandemie hat den Unternehmer „höchstens personell ausgebremst“, wie er sagt. Weil in der Zeit mehr in Rekonstruktion und Neubau investiert worden sei, habe auch sein Fensterbau profitiert. Und obwohl der Neubau derzeit zurückgehe, Wohnflächen kleiner würden, seien Fenster als heller, wartungsfreier und wärmedämmender Wandersatz gefragt.

Glück hat auf Dauer nur der Tüchtige. Hiller weiß eine motivierte Belegschaft hinter sich, der er bei Bratwurst und Glühwein kurz vor Weihnachten ausdrücklich dankt. Die Beschäftigten, darunter Menschen mit Behinderung und Strafgefangene, kommen laut Geschäftsführer „aus der halben Welt“: auch aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, Polen und Russland. „Keiner muss mit Hartz IV oder Bürgergeld auf der Couch sitzen“, sagt der Chef und: „Ich will auch jenen eine 2. Chance geben, die mal falsch vom Weg abgebogen sind“.

Der Unternehmer ist sozial engagiert. So unterstützt der passionierte Jäger und Oldtimer-Fan mehrere Sportvereine. Aber am meisten liegt ihm die Begegnungsstätte für Kinder und Jugendliche in Meißen am Herzen. Jenes „Schmale Haus“ erhielt vom fünffachen Vater und siebenfachen Opa eine fette Spende von 8.000 Euro.

Und wo will der 63-Jährige noch hin, der mit seinem Sohn Max (25) auch schon die Firmenübernahme geregelt hat? „Mal sehen“, sagt er und verweist auf den Kollegen Zufall, der in seinem Leben schon so oft Verbündeter war – neben seiner Frau, die sich vor allem ums Personal kümmert.

„Man ist zum Wachstum verurteilt“, sagt der Mann mit Zopf und Goldkettchen am Handgelenk. Platz genug hat er auf den 33.000 Quadratmetern Grund und Boden am Nossener Dreieck – und die nötige Weitsicht ohnehin. Derzeit ruht die Produktion, nicht nur wegen der üblichen Betriebsferien zwischen den Jahren. Hiller lässt für 1,8 Millionen Euro neue Schweißtechnik und Klebeanlagen aufbauen. Und 2023 investiert der Chef, der 2014 bereits den Maschinenpark in Niederau komplett erneuert hat, noch mal die doppelte Summe. Hallo Zukunft.

 

Text: Michael Rothe

Foto: Ronald Bonß

 

Zurück zur Übersicht