Mit dem Lockdown im März nahmen sie ihr Herz und Schutzmasken in die Hand: Danilo Schmidt und Uwe Kasper (v. l.), Chefs der KSI International GmbH in ihrer Welt aus Werbeartikeln. Der Mut zum Wechsel des Geschäftsmodells wurde belohnt.
Die zwei hinter der Maske
Am Freitag, dem 13. März, fassten zwei Dresdner einen mutigen und folgenschweren Entschluss. Ein Glückstag – für sie und Sachsen.
In den beiden oberen Etagen des früheren Lufthansa-City-Centers in Dresden deutet wenig darauf hin, dass dort mit dem Werbeartikelhändler KSI International ein junges Unternehmen mit zigfachem Millionenumsatz residiert. Schon gar nicht im spartanisch eingerichteten Chefzimmer: Fototapete mit Traumstrand auf den Malediven, Schreibtisch, kleiner Besprechungsplatz mit vier Ikea-Hockern, darüber ein Löwenkopf als gewaltige Fotocollage. Das Büro erinnert an eine Studenten-WG. Auf dem Fensterbrett liegt ein Managermagazin – einziger Hinweis, dass dort „ein Macher“ sitzt. Mehr noch: ein Unternehmer.
Danilo Schmidt, Baujahr 1984 und studierter Betriebswirt, hatte 2007 gemeinsam mit seinem nur sieben Jahre älteren Onkel Uwe Kasper, einem Sport- und Betriebswissenschaftler, die Firma mit beider Initialen gegründet. Das zusätzliche „I“ stehe für „Ideen“ und „individualisiert“, sagen sie. Eigentlich wollten die früheren 400- und 800-Meter-Läufer ein Sportgeschäft eröffnen. Doch es wurde ein Onlineshop für Dresdner Christstollen.
Um ein Ganzjahresgeschäft zu haben, stiegen sie später in den Werbeartikelmarkt ein – ausgelöst durch die Leichtathletik-WM 2009 in Berlin, als ein Sponsor personalisierte Sitzkissen und Liegestühle brauchte. „Personalisierung ist ein Megatrend“, sagt Schmidt. Heute entwickelt, personalisiert, importiert und vertreibt KSI individuelle Werbeartikel im In- und Ausland und zu 95 Prozent für Firmenkunden. Das Spektrum reicht von EU-Standardproduktionen und Direktimporten aus Fernost bis hin zu Sonderanfertigungen.
„An der Spitze ist immer Platz“
Die Standorte des Dresdner Unternehmens lesen sich wie das „Who’s Who“ der Fußball-Champions-League: Barcelona, Madrid, Mailand, Paris, London sowie Brüssel und Wien. „Auch wir gehören zu den Top-Playern“, sagt Schmidt selbstbewusst. Unter den rund 1.000 Online-Anbietern in Deutschland seien sie unter den führenden fünf. Die hauseigene Druckerei und ein globales Beschaffungsnetz ermöglichten weltweite Logistik und maximale Flexibilität.
Die Produktpalette von KSI wuchs auf 150.000 vorzugsweise nützliche und nachhaltige Artikel: Kugelschreiber, Notizbücher, Kalender und andere gängige Dinge – aber auch Ausgefallenes wie Löffelkekse, Brotdosen aus Bambusfaser, personalisierte Lachsverpackungen und ein personalisierter Orangenbaum mit Echtholzstamm, künstlichen Früchten und 1.400 Blättern. „USB-Sticks sind out“, sagt Schmidt, und neueste Schrei Coronamasken.
Apropos: Der wohl einschneidendste Tag in der Firmengeschichte war der 13. März 2020, der letzte Freitag vor dem ersten Lockdown. „Unser Tagesumsatz brach um 80 Prozent ein, es gab kaum noch Bestellungen“, blickt Schmidt, ein gebürtiger Sebnitzer, zurück. Stattdessen hätten Kunden massenhaft Schutzausrüstung angefragt. „Wir haben noch am Samstag eine Taskforce gebildet, Pläne geschmiedet, das Hilfeunternehmen KSI Care gegründet und unser Geschäftsmodell erweitert.“ Gute Kontakte zu Herstellern in China, die Kenntnis der Normen und Standards machten eine schnelle Reaktion möglich. So konnten im Auftrag des Freistaats und des Bundesgesundheitsministeriums millionenfach Schutzausrüstung besorgt und Kliniken und Pflegeheime in Sachsen beliefert werden – mangels Kapazität der Logistikriesen auch mit eigenen Charterflügen.
Im Sommer holten Schmidt und Kasper Daniel Ackermann, Ex-Chef der Online-Druckerei Saxoprint, als Manager in die Führungsriege. Der 43-Jährige sah „das riesige Potenzial“. Seine Devise: Thematisch breiter aufstellen und weiter wachsen, denn „an der Spitze ist immer Platz“.
„Werbeartikel verkaufen viele Firmen, aber bei uns ist der Kunde VIP“, dank Vielfalt, Individualität, persönlicher Beratung und „einem jungen Team, dessen Begeisterung für die Welt der Werbeartikel direkt auf den Kunden abfärbt“. Das schrieb das Führungsduo 2018/19 in seiner Bewerbung für „Sachsens Unternehmer des Jahres“.
Mittlerweile sind zwei Jahre und die erste Welle einer Pandemie vergangen. Die Belegschaft wuchs von 30 auf über 50 Mitarbeitende, der Umsatz von 13,9 Millionen Euro hat sich auf „einen hohen zweistelligen Millionenbetrag“ vervielfacht. Genaue Zahlen nennen die Chefs noch nicht.
KSI ein Krisenprofiteur? „Auch ohne Corona hätten wir zehn Millionen draufgepackt“, ist Ackermann überzeugt. „Auch wir wussten im März nicht, wo die Reise hingeht“, ergänzt Schmidt, der vier Sprachen spricht und zusätzlich Russisch lernt. „Wir haben all unseren Mut zusammengenommen und jeden Cent zur Vorfinanzierung des Geschäfts eingesetzt“, so der zweifache Familienvater. Das Risiko sei belohnt worden, ein schlechtes Gewissen müsse man nicht haben.
Im Gegenteil: Den 13 Jahre währenden Steigerungslauf haben die einstigen Leichtathleten mit organischem Wachstum und ohne Investor hingelegt – und in der Pandemie nicht nur keinen entlassen, sondern eingestellt. Den besonderen Kriseneinsatz ihrer Belegschaft, im Schnitt um die 30, honorierten die Chefs mit Boni und Zuschüssen. Die wahren Gewinnler seien andere, sagt Schmidt, große Hedgefonds etwa.
Wie im Frühjahr explodieren derzeit die Preise – „bei Nitril-Einweghandschuhen beispielsweise um 1.500 Prozent“, weiß Danilo Schmidt. Das sei schade für all jene, die darauf angewiesen sind. Obwohl KSI versuche, deren Kosten zu drücken, könne es nicht alles abfangen, sagt Ackermann.
KSI ist schon wieder im März-Modus, die nächste große Aufgabe wartet: Die Bundesregierung will 27,2 Millionen Menschen der Risikogruppe kurzfristig mit je 15 FFP-2-Masken ausrüsten. Und dafür braucht es Unternehmen, die ihr Fach beherrschen.
Text: Michael Rothe
Foto: Thomas Kretschel