Da staunen die Sachsen in Wuhans „Planning Hall“ über chinesische Superlative .
Mittendrin: Benjamin Hein (2. v. r.).
Sachsen sucht erneut seine besten Unternehmer und Gründer. Die letzten Sieger waren gemeinsam in China. Kein Zufall.
Es scheint, als sei die Grazie im dünnen Goldkleidchen gerade den Fluten entstiegen. Rank und schlank steht „Die Träumende“ inmitten eines knietiefen, fünfeckigen Granitbeckens – dem wohl ungewöhnlichsten Ort, an dem die Siegertrophäe für „Sachsens Unternehmer des Jahres“ bislang einen Ehrenplatz fand. Werner und Maximilian Deharde, Chefs und Inhaber der Lausitzer Früchteverarbeitung GmbH in Sohland an der Spree, hatten den Preis im Mai erhalten. Seitdem verleiht die Skulptur dem Foyer des Unternehmens besonderen Glanz. Noch steht die vergoldete Bronzestatue der Dresdner Künstlerin Malgorzata Chodakowska auf dem Trockenen. „Demnächst kommt Wasser ins Becken“, sagt Maximilian Deharde. „Und ein paar Fische“, ergänzt Vater Werner.
Eigentlich wollte der Seniorchef mit dem Projekt weiter sein, doch eine besondere Mission hatte ihn abgehalten: Er gehörte zur 45-köpfigen Delegation aus sächsischer Wirtschaft und Wissenschaft, die gerade China besucht hat – angeführt von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Agrarund Umweltminister Thomas Schmidt (beide CDU) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Es war die größte Abordnung, die der Freistaat je nach außerhalb Europas entsandt hat. Kein Wunder: China ist Sachsens wichtigster Exportmarkt. 2016 wurden für 5,5 Milliarden Euro Waren exportiert. Und die Einfuhren haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht.
Auf dem Programm standen Firmenbesuche und Gespräche in Nanjing, Schanghai, Peking und in der Region Hubei, mit der Sachsen seit zehn Jahren in Wirtschaft, Handel, Energie, Umweltschutz, Forschung und Bildung kooperiert. Nicht nur am Drei Schluchten-Staudamm mit dem größten Wasserkraftwerk der Erde staunten die Gäste. Auch Werner Deharde war überrascht. „Ich dachte, da fahren alle noch Fahrrad“, sagt er nach seiner Rückkehr zur SZ. Stattdessen: Mehr Nobelautos als in Deutschland, viele mit Elektromotor. „Wir waren in Städten, die gab es vor zwei Jahren noch gar nicht“, sagt Deharde. Das Tempo der Chinesen sei atemberaubend. „Kaum zurück in Sohland hatte ich schon vier E-Mails von potenziellen Partnern. “Der Lausitzer Früchteverarbeiter produziert mit 130 Mitarbeitern unter anderem Obst- und Gemüsesäfte, Fruchtmus, Rote Grütze, Gewürzgurken und peilt in diesem Jahr 26 Millionen Euro Umsatz an.
Für Werner Deharde war es der erste Trip ins Land des Lächelns, aber sein Unter-nehmen ist dort bereits aktiv. „Wir importieren tiefgefrorene Erdbeeren, Aprikosen und andere Früchte, aber auch Ascorbinund Zitronensäure“, sagt der 67-Jährige. „Im Gegenzug liefern wir erste Kindersäfte nach Schanghai und Apfelmus-Pouches“, handliche Beutel zum Auszutschen. Wichtig sei die deutsche Verpackung, denn „Made in Germany hat in China höchsten Stellenwert mit Ausnahme von Rindfleisch“, weil der BSE-Skandal auch 20 Jahre später nachhallt. Der Unternehmer wittert eine große Chance und überlegt, einen der chinesischen Studenten in Dresden als Mittler einzustellen. Zudem liebäugelt er mit einer Kooperation mit Eibauer. Die Chefin der Brauerei, die ihr Geschäft dank Chinas Bierdurst verdoppelt habe, gehörte mit zur Delegation. Und noch etwas hat Deharde beeindruckt: „Selbst in Riesenfirmen sind die Leute unglaublich jung. Man denkt, es seien Praktikanten, doch es sind die Chefs.
“Benjamin Hein passt in dieses Schema, doch sein 2011 gegründetes Designbüro steht in Leipzig. Gemeinsam mit Jonathan Geffen ist der 35-jährige Geschäftsführer von Etage8. „Unsere Kernkompetenzen liegen im Industriedesign, in der Planung und Umsetzung von Messeständen, Visualisierung und Corporate Design, als auch Modellbauaufträgen“, heißt es auf der Website des vierköpfigen Teams. Auch Hein gehörte zur Sachsen-Abordnung in Fernost. Er nennt seine Eindrücke im Nachgang „überwältigend“.„In chinesischen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen könnten unsere Möbel mit Handlauf gut ankommen“, glaubt der Jungunternehmer. Noch ist es nicht so weit. Das Quartett von Etage8 geht kleinere Schritte – und zunächst auf einige Messen. „Wir können bis zu 100 individualisierbare Stühle und Tische in verschiedenen Größen und Materialien liefern“, freut sich Hein. Es gebe viele Anfragen nach Mustern. Auch in der Reisegruppe habe es wertvolle Kontakte gegeben.
Im Gegensatz zu anderen Teilnehmern musste Etage8 sein Ticket nicht selbst bezahlen. Die von der Wirtschaftsförderung Sachsen organisierte Unternehmerreise gehörte zum Preispaket für Sachsens bestes Start-up. Den Gründer-Wettbewerb hatten Hein & Co mit Möbeln für Senioren und eingeschränkte Menschen gewonnen – just bei jener Gala, als Dehardes als „Unternehmer des Jahres“ geehrt wurden.
Apropos: Fast wären sich der Firmenchef und die Schöpferin der „Träumenden“ in Fernost über den Weg gelaufen. Nur wenige Tage bevor der Sachsen-Tross in Schanghai unterwegs war, hatte Malgorzata Chodakowska in einer Fußgängerzone des benachbarten Suzhou einen spektakulären Springbrunnen mit drei lebensgroßen Ballerinen übergeben. Die Künstlerin hätte sicher einen Tipp gehabt, wie man ihre grazile Schönheit unter Wasser setzt.
Der Wirtschaftspreis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse und MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PwC, der LBBW-Sachsen Bank, des Eventausrüsters Congressteam in Dresden und der Gesundheitskasse AOK Plus.
Aufgeweckte Unternehmer und pfiffige Gründer
Sachsens wichtigster Wirtschaftspreis wird zum 13. Mal vergeben. Eine zehnköpfige Jury entscheidet, wer „Die Träumende“, eine vergoldete Bronzestatue, bekommt – und behalten darf. Der Sieger wird am 4. Mai 2018 in Dresdens gläserner VW-Manufaktur geehrt.
Bis zum 9. Februar 2018 können sich Unternehmerinnen und Unternehmer um die Schöne bewerben oder vorgeschlagen werden.
Teilnahmebedingungen: mindestens zehn Mitarbeiter, 500 000 Euro Jahresumsatz, fünf Jahre am Markt, Anteile am Unternehmen, das mehrheitlich in Privatbesitz sein muss. Der Firmensitz in Sachsen ist nicht Bedingung, aber die gute Tat für den Freistaat.
Auszeichnungskriterien: gute Gesamtentwicklung der Firma, herausragende Leistungen z. B. bei Schaffung oder Erhalt von Jobs, Lehrstellen, bei Innovationen, Akquisitionen, Engagement für die Region, auch erfolgreiche Krisenbewältigung.
„Sachsen gründet – Start-up 2018“ heißt ein Sonderpreis, der nunmehr zum zweiten Mal vergeben wird. Bewerber müssen ihre Firma im Zeitraum 2013-2016 gegründet haben, mindestens ein Jahr am Markt sein sowie eine innovative Geschäftsidee und einen überzeugenden Businessplan vorlegen.
Der Sieger dieses Preises erhält unter anderem Medialeistungen im Wert von 50 000 Euro und eine Auslands-Unternehmerreise mit der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH.
Fotos: M. Rietschel
Text: Michael Rothe