Andreas Ullmann zeigt vor Löt-Arbeitsplätzen in seinem Zittauer Betrieb ein Versuchsgerät für die Zentralelektronik im Auto. ECU.de repariert elektronische Kfz-Bauteile, an die sich viele andere nicht heranwagen.
Die Bewerbungsfrist für den Unternehmerpreis endet am 3.2. Der Kandidat Andreas Ullmann beschäftigt rund 180 Menschen in Zittau, die sich mit Elektronik auskennen. In seiner Autowerkstatt stehen Mikroskope.
Zittau. Kann der Chef eines Autohauses in die engere Wahl um Sachsens wichtigsten Unternehmerpreis kommen? Es gibt Hunderte Kfz-Werkstätten, aber Andreas Ullmann in Zittau beschäftigt 183 Menschen, darunter Frauen an Mikroskopen. Was bei Ullmanns Urgroßvater als Fahrzeugwerkstatt begann, ist heute ein Reparaturbetrieb für verklebte Platinen und defekte Tachos aus halb Europa. Hunderte Pakete kommen täglich in Zittau an. Der Chef sitzt am liebsten am Computer oder auf einem seiner Fahrräder.
Zehn bis zwölf Mitarbeiter stellt Ullmann jedes Jahr ein, nachdem er die Bewerbungsgespräche geführt hat. Darunter sind Frauen, die vorher als Friseurin oder Nageldesignerin gearbeitet haben. Auf einigen Arbeitsplätzen liegen Pinzetten, Zahnbürsten, Skalpelle – als „Löterin“ stellt sich die Angestellte Sylva Preussler vor, die gerade ein elektronisches Steuergerät zusammensetzt. Bei ECU.de in Zittau wird defekte Fahrzeugelektronik nicht weggeworfen, sondern repariert und mit zwei Jahren Gewährleistung zurückgeschickt.
ECU steht für Electronic Control Unit, das heißt elektronische Steuereinheit. Davon stecken viele in jedem Auto. Wenn Klimabedienteile kaputt sind, ein Navi oder ein ESP-Steuergerät, dann wenden sich Werkstätten und manchmal auch Privatleute an den Zittauer Betrieb. ECU.de ist eine Abteilung des Autohauses Glaubitz GmbH & Co. KG, das auf eine Gründung von 1914 zurückgeht. Das Mitsubishi-Autohaus samt Gebrauchtwagenparkplatz und Lackiererei gehört heute noch dazu, und neben dem Empfangstresen steht ein mächtiger Eigenbau-Oldtimer von 1958. Doch der allergrößte Teil der Glaubitz-Beschäftigten gehört zu ECU.de und repariert Auto-Elektronik.
Der Inhaber und Geschäftsführer Ullmann macht nicht viele Worte. Die Führung durch das verschachtelte Firmengelände aus Alt- und Neubauten überlässt er lieber seinem Schwager Tobias Hauck, der für Vertrieb und Produktmanagement zuständig ist. Hauck sagt über Ullmann, der gehe in der Programmierung auf. Der 49-jährige Chef hat oft genug bewiesen, dass er sich im Auto auskennt. Ullmann war zweimal Europameister der Mitsubishi-Servicetechniker. 1996 wagte er die ersten Reparaturen an elektronischen Steuergeräten.
Damals war ein Motorsteuergerät im Mitsubishi eines Kunden defekt. Rund 1.500 DM sollte ein Neuteil vom Importeur kosten, das wollte sich der Fahrer nicht leisten. Doch Andreas Ullmann hatte schon als Kind einen Elektronikbaukasten vom Patenonkel bekommen. Er wagte sich auch an das Steuergerät und brachte es wieder in Gang. Heute haben seine Angestellten die nötigen Fräsen und das Material, um auch vergossene Elektronikbauteile freizulegen und nach der Reparatur wieder zu verschließen. Im Firmenprospekt heißt es: „Die anfängliche Lötbastelei entwickelte sich zu einer professionellen Dienstleistung.“
Freie Werkstätten sind die besten Kunden von ECU.de. Gerade hat ein Mitarbeiter einen Auftrag aus Bad Pyrmont auf dem Bildschirm. Eine sechsstellige Auftragsnummer erleichtert die Verwaltung der Reparaturen. Die Zittauer Dienstleister machen es ihren Kunden so leicht wie möglich: Fachleute an der Hotline beraten die Anrufer, auf der ECU-Internetseite lassen sich die Bauteile und möglichen Fehler anklicken: Mercedes-Drosselklappensteuergerät, Skoda-Zentralelektronik, Volvo-Radlader-Display. Alles außer Airbag. Festpreise stehen dabei. Der Paketaufkleber für den Versand nach Zittau lässt sich ausdrucken, DHL holt die Ware beim Kunden ab – und bringt sie rasch zurück. Schnelligkeit ist ein Ziel von Andreas Ullmann, möglichst innerhalb eines Tages soll ein Gerät repariert sein.
Recht häufig irren sich allerdings die Diagnosegeräte der Kfz-Werkstätten und erklären intakte Steuergeräte für defekt. Landen sie trotzdem bei Ullmann, berechnet er nach der Prüfung 50 Euro Pauschale und schickt das funktionsfähige Bauteil zurück. Dieser Preis ist seit vielen Jahren gleich. Noch ein Satz aus dem Prospekt: „Der blinde Tausch von anfälligen Bauteilen auf Verdacht entspricht nicht unserem Qualitätsanspruch.“ Manchen Kunden sind freilich auch die Reparaturkosten zu hoch, doch Vertriebschef Hauck verweist auf den Aufwand der Werkstatt: Er zieht volle Schubladen auf und öffnet Schränke mit Ersatzteilen. In Zittau stehen Automaten zum Stückpreis von 40.000 Euro. Einige Anlagen hat die Firma Glaubitz bei der Auflösung der ehemaligen Qimonda-Mikrochipfabrik in Dresden gekauft. ECU baut auch eigene Prüfstände, die Autoelektronik simulieren.
Rund 19 Millionen Euro Jahresumsatz schreibt die Firma Glaubitz, und Ullmann hat sich kontinuierliches Wachstum vorgenommen. In Staaten wie Schweden und Spanien hat er Partner, die für ECU.de Aufträge annehmen und so Zittau den Nachschub sichern. Zwei tschechische Angestellte sprechen die Sprache der Kunden ihrer Heimat. Viele Konkurrenten hat ECU.de nicht: Ullmann nennt Bosch in Hildesheim und eine niederländische Firma, die ähnlich groß sei wie sein Betrieb.
Der Autodienst Glaubitz hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr ausgedehnt, ein ehemaliges Möbelhaus wurde integriert und vor gut drei Jahren eine große Halle gebaut. Die ist auch schon voll. „Wir brauchen mehr Prüfplätze“, sagt Geschäftsführer Ullmann. Schichtdienst komme kaum infrage, viele Technik-Arbeitsplätze seien individuell auf die Fachleute zugeschnitten. Im vorigen Jahr hat Ullmann daher bei der Stadt ein Bebauungsplanverfahren auf eigene Kosten beantragt, um seinen Betrieb auf dem Nachbargrundstück zu erweitern – auf dem Gelände einer Gärtnerei. Seine Solaranlage auf dem Dach lässt er erweitern, von jetzt 130 auf 280 Kilowatt. Zugleich plant Ullmann eine Trafostation zur Anbindung ans Mittelspannungsnetz. Noch gibt sein Hausanschluss keine Schnellladestation für Elektroautos her.
Als Vorteil der Lage im Dreiländereck sieht Ullmann, dass kein Großunternehmen ihm Mitarbeiter abziehe. Er bemühe sich trotzdem, besser zu zahlen als Firmen der Umgebung. Ein umsatzabhängiger Bonus gehöre dazu. Den Mitarbeitern bietet er Sommer- und Weihnachtsfeiern, auch Gratisgetränke und Aufenthaltsräume – aber für eine Kantine habe der Platz nie gereicht. 1.000 Euro steuerfreie Inflationsausgleichsprämie pro Kopf zahlte der Chef voriges Jahr aus und will das möglichst wiederholen.
Ullmann will investieren. Auch mit Elektro- und Hybridautos wird ECU.de zunehmend Umsatz machen, weiß der Chef: Beim E-Smart fielen zum Beispiel schon mal Heizungen aus. Zugleich lässt sich auch mit Oldtimern noch etwas verdienen: Für Porsche baut das Unternehmen „Classic-Originalersatzteile“ nach, zum Beispiel Heckscheiben-Heizregler. Andreas Ullmann kümmert sich um die Software für das „Re-Design“, wo es keine alten Schaltpläne gibt.
Der Firmenchef in vierter Generation ist 49, verheiratet und hat vier Kinder. Zu seiner Freude findet er bei ihnen technisches Interesse, will aber niemanden zur Nachfolge drängen. Auch als Chef sei er eher ruhig und bemühe sich um Konsens, sagt Ullmann. Zwar sprang er voriges Jahr als Hauptsponsor beim örtlichen Triathlon am Olbersdorfer See ein (O-See-Challenge), doch er selbst sei eher kein Wettkampftyp. „Ich suche Herausforderungen in der Technik.“ Aus Sicht von Vertriebschef Hauck ist die Instandsetzungsdienstleistung von ECU.de ein Beitrag zum schonenden Umgang mit Ressourcen: „Was wir hier machen, ist das Nachhaltigste, was man machen kann.“
Text: Georg Moeritz
Foto: Thomas Kretschel