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Der Traum des Unternehmers

Sie ist die Trophäe, die auch 2017 an Sachsens Unternehmer des Jahres geht: die „Träumende“. Die Wiege der Skulptur steht in der Tatra. Die Reise nach Zakopane führt in die Gefühlswelt ihrer Schöpferin und zur Begegnung mit einem faszinierenden Handwerk.

ZAKOPANE/DRESDEN — Mit einer Frau im Auto Hunderte Kilometer quer durch Polen, mit zwei Ladys zurück. Die eine nackt und stumm, die andere umso gesprächiger. Der Reporter konnte nicht ahnen, dass diese Reise von Dresden nach Zakopane keine normale sein würde.

Malgorzata Chodakowska auf dem Beifahrersitz kommt schnell ins Plaudern. Sie erzählt von sich, ihrer Heimat Polen und von Lodz im Besonderen, vom Bildhauerei-Studium in Warschau und Wien, vom Leben im Allgemeinen und privat – mit ihrem Mann, dem Öko-Winzer Klaus Zimmerling, in Pillnitz bei Dresden, wo sie seit 1991 leben. Besonders gern spricht sie über ihre vielen Kinder – in Holz und Bronze. Das Jüngste von ihnen ist Ziel der Reise: „Die Träumende“. Die legendäre Skulptur, eine 1,20 Meter große Grazie mit verschränkten Armen über dem Kopf und einem hauchdünnen Kleid aus Blattgold, hat elf ältere Zwillingsschwestern und ist seit 2006 Trophäe für „Sachsens Unternehmer des Jahres“.

Der Trip an die Wiege der Schönen zieht sich fast den ganzen Tag hin: an Breslau und Krakau vorbei – und dann hoch hinaus nach Zakopane. Der Wintersportort im Südosten Polens lebt mit grandioser Hochgebirgswelt, einzigartigen Holzhäusern, Kirchen, Museen nur vom Fremdenverkehr. Übers Jahr kommen auf jeden der 26.000 Einwohner 100 Urlauber, heißt es im Touristenamt. Das Highlight ist der alte Friedhof: 70 Gräber, viele wahre Kunstwerke aus Holz, lassen ahnen, welches Handwerk in Zakopane zu Hause ist. Tomasz Ross ist einer seiner Vertreter. Doch nur von Bildhauerei könnte der 49-Jährige nicht leben. Daher betreibt er nebenbei eine kleine Gießerei für sich und befreundete Künstler wie Malgorzata, mit der er in den 1980er-Jahren in Warschau studierte. Alle paar Wochen fährt die Wahlsächsin in die Tatra: mit Ideen, Entwürfen, mit alten und neuen Geschichten.

Die Begrüßung ist herzlich. Zwei auf gleicher Wellenlänge, beruflich wie menschlich. Tomasz schüttelt die Hand nicht über der Türschwelle. „Das bringt Unglück“, sagt man in Zakopane. Gleich hinter der Tür liegen 8000 Euro: eine Tonne Bronze, gestapelt wie Goldnuggets. Eine Firma in Breslau liefert die teure Legierung aus etwa neunzig Prozent Kupfer und zehn Prozent Zinn.

Zuerst gibt’s im kleinen Büro einen Espresso für den Gast. Und dann Arbeit. Malgorzata hat nur einen Tag Zeit, denn daheim warten Projekte, die während der Weinlese ruhen mussten. Chodakowskas Arbeiten sind weltweit gefragt und längst mehr als nur Skulpturen. Mit ihren Brunnenkompositionen ist sie seit einigen Jahren nah am Wasser gebaut. Da wird der Fächer einer Flamenco-Tänzerin zur filigranen Fontäne. Oder das Röckchen einer Ballerina. Oder die langen Rastazöpfe einer anderen Grazie – inspiriert durch eine alte Trauerweide auf ihrem Grundstück.

Fast all ihre Schönen sind gertenschlank, geheimnisvoll, sinnlich und zogen Ausstellungsbesucher zum Beispiel in Wien, Tokio, Graz, St. Petersburg sowie in vielen deutschen und polnischen Städten in ihren Bann. Doch meist verschwinden die Werke im Wert von Mittelklasseautos unbeachtet von der Öffentlichkeit in Gärten und Villen Gutbetuchter. „Das macht mich manchmal traurig“, sagt die 51-Jährige. Was sie fertige, sei „purer Luxus, aber lebensnotwendig, denn die Leute brauchen Schönheit“, fügt sie hinzu.

Sachsens bisherige elf „Unternehmer des Jahres“ werden dies bestätigen. Die neue Trophäe wartet im Schuppen auf die finale Bearbeitung durch ihre Schöpferin. Tomasz und ein Mitarbeiter hatten den Rohling im Frühjahr gegossen. Das 6000 Jahre alte Verfahren ist für Laien so faszinierend, wie schwer nachvollziehbar. Ständig wechseln Positiv und Negativ. Zuerst werden Eisenstäbe zu einer Art Skelett verschweißt. An ihm wird die Figur aus Ton modelliert, was Wochen dauern kann. Auf das Modell kommen mehrere Schichten zähflüssigen Silikons. Erstarrt bilden sie einen Zentimeter dicken Mantel. Dieses Negativ erhält Stützschalen aus Gips oder Bauschaum. Für das folgende Positiv wird eine geheime Mixtur aus flüssigem Bienenwachs, Kolophonium und Paraffin aufgepinselt, bis eine etwa fünf Millimeter starke Schicht entsteht – so dick, wie der spätere Guss. Ergebnis nach dem Erkalten: ein Hohlkörper aus Wachs. Er wird mittels Messer genau bearbeitet, entspricht seine Oberfläche doch exakt der späteren Skulptur.

Das Modell bekommt Einguss- und Entlüftungskanäle aus Wachs und wandert so in ein Schamott-Gips-Bett. Der feuerfeste Block wird drei Tage lang bei 700 Grad Celsius gebrannt. Das Wachs fließt ab, ein hohler Mantel entsteht. In ihn wird durch Löcher die rotglühende Bronze gegossen. Nach Erkalten und Erstarren werden der Schamott abgeschlagen, die Gusskanäle abgesägt. Der Rohguss kommt zum Vorschein. In diesem Zustand wartet nun die 40 Kilo schwere Figur vor Tomasz’ Schuppen auf ihre Mama und träumt von edlerem Ambiente.

Denn bei aller Herzlichkeit der Bewohner, und anders als die helle Werkstatt mit dem knisternden Kamin, lädt der schlammige Hof nicht zum Verweilen ein: Holzpaletten, Eisengestelle, ein Flaschenzug, Sandsäcke, eine alte Wanne, ein Traktor, Werkbänke, eine Plane über der Leine als Schmutzschutz für Nachbarn, ein riesiger Haufen aus Schamottabfall – das ist Kulisse eines Edelhandwerks und Zeuge nicht gerade üppiger Verhältnisse seines Vertreters. Bis auf die blaue Yamaha.

Gleichwohl gibt’s für „Die Träumende“ Pediküre und Maniküre, im Fachjargon Ziselieren genannt, mit Drahtbürste und Feile, danach Sandstrahlen und Patinieren. Dann ist sie fast fertig. Ein glänzender Auftritt in der untergehenden Herbstsonne von Zakopane. Die zwölf Schwestern sind nur scheinbar gleich. Malgorzata könnte alle unterscheiden. „Die Erste ist immer die Schwierigste und die Letzte immer die Schönste“, sagt sie und streicht der Jüngsten über den Po. „Malerei? Ich bin viel zu energiegeladen für solche Flachkunst“, scherzt sie. Ihre immerfrohen blauen Augen strahlen. Jetzt fehlt der Grazie nur noch das Goldkleid. Das wird daheim aufgetragen.

Die stumme Lady scheint nicht traurig, als sie nackt ins Auto nach Pillnitz verladen wird. Für Tomek, wie Malgorzata ihren Freund nennt, heißt es, Abschied zu nehmen. Während er seine Kollegin sicher bald wiedersehen wird, entschwindet „Die Träumende“ für immer. Und mit Wehmut sagt er: „Sie ist auch ein Stück von mir.“

Sachsens wichtigster Wirtschaftspreis –
Neuer Sonderpreis für den besten Gründer

Zum 12. Mal wird Sachsens wichtigster Wirtschaftspreis vergeben. Eine zehnköpfige Jury entscheidet, wer „Die Träumende“ erhält. Die Kür von „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative von „Freie Presse“, „Sächsischer Zeitung“, MDR, Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PwC, LBBW Sachsen Bank, Sparkassen-Versicherung Sachsen und Eventausrüster Congressteam.

Der Sieger wird am 19. Mai 2017 bei einer Gala in Dresdens Gläserner VW-Manufaktur geehrt.

Bis zum 24. Februar 2017 können sich Unternehmer aus Sachsen bewerben oder vorgeschlagen werden.

Teilnahmebedingungen: Mindestens zehn Mitarbeiter, 500.000 Euro Jahresumsatz, fünf Jahre am Markt, Anteile am Unternehmen, das mehrheitlich in Privatbesitz sein muss. Der Sitz in Sachsen ist nicht Bedingung, wohl aber die gute Tat für den Freistaat.

Auszeichnungskriterien sind neben guter Gesamtentwicklung der Firma herausragende Leistungen zum Beispiel bei Schaffung oder Erhalt von Jobs, Lehrstellen, bei Innovationen, Akquisitionen, aber auch erfolgreiche Krisenbewältigung und Engagement für die Region.

„Sachsen gründet – Start-up 2017“ heißt der neue Sonderpreis. Bewerber müssen ihre Firma in der Zeit von 2012-2014 gegründet haben, mindestens ein Jahr am Markt sein, eine innovative Geschäftsidee und einen überzeugenden Businessplan vorlegen. Der Sieger erhält Medialeistungen im Wert von 50.000 Euro und eine Auslandsreise.

 

Text und Fotos: Michael Rothe

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