Unternehmer des Jahres – Nominierte vorgestellt
Tilo Steinmeier und Swen Hallasch verkaufen ihre Firma an einen Weltkonzern. Der wird bald Hunderte Stellen schaffen.
Genau halbe-halbe. Also 50 Prozent der Anteile für Tilo Steinmeier, 50 Prozent für Swen Hallasch. So haben die beiden Firmengründer ihr Unternehmen angelegt, und so sprechen sie auch. Also sitzen sie nun nebeneinander, beide im weißen Hemd, und erzählen immer abwechselnd. Der Jüngere, Hallasch, hat dabei gerne die Hände in der Luft. Der Ältere aber drückt beim Sprechen auch mal mit dem Zeigefinger energisch auf die Tischplatte oder bittet den Jüngeren freundlich, noch nicht das Wort zu ergreifen: „Warte mal!“, sagt der 57-jährige Steinmeier dann zum 48-jährigen Hallasch. Beide haben Kinder, beide fahren gern in freien Minuten Rad – der Jüngere Rennrad, der Ältere Mountainbike gemeinsam mit der Familie.
Doch jetzt werden sich die Berufswege der beiden Unternehmer wohl trennen. Das erzählen sie vor den grell-abstrakten Gemälden in einem ihrer Büroräume im Gewerbegebiet Kesselsdorf nahe Dresden. Sechs Jahre nach der Gründung haben Steinmeier und Hallasch ihre Unternehmensberatung Solid-Servision.com GmbH verkauft. Alle 100 Prozent gehören jetzt der internationalen Unternehmensberatung Accenture, einem Konzern mit Ursprung in der Beratungsfirma Andersen, heute mit Sitz in Dublin.
Steinmeier bleibt Geschäftsführer in Kesselsdorf, der jüngere Hallasch dagegen will Mitte des Jahres eine Auszeit nehmen, sich erst mal erholen von der Zeit als „Workaholic“. Vielleicht gründet er später wieder eine Firma, so etwas mache ihm mehr Spaß, als einen vorhandenen Betrieb von 130 auf 350 Mitarbeiter zu bringen.
Dieses Wachstum aber steht dem Kesselsdorfer Betrieb bevor, das haben die beiden Gründer ihren Angestellten versprochen. Schon vor dem Verkauf war das der Plan: Solid-Servision soll im Jahr 2019 rund 350 Beschäftigte haben. Derzeit sind es 130, davon rund 100 in der Zentrale. Voriges Jahr ist das Unternehmen um 60 Angestellte gewachsen, das Ziel für das Ende dieses Jahres lautet 186 Beschäftigte. Der größte Teil des Wachstums wird in Kesselsdorf stattfinden, obwohl das Unternehmen seine Kunden kaum in der Nähe hat, sondern in ganz Deutschland und darüber hinaus – samt Büros in Tschechien, in der Slowakei und in Indien.
Solid-Servision ist eine Unternehmensberatung, die sich auf die Software des USHerstellers Service Now spezialisiert hat. Damit können Betriebe etwa Bewerbungsverfahren automatisieren oder Bestellprozesse standardisieren. Hallasch vergleicht den zehn Jahre alten Service Now mit der deutschen SAP – beide liefern Computerprogramme, die immer mehr Funktionen übernehmen, immer weiterwachsen. „Anderen das Leben ein Stück leichter machen“, so nennt es Steinmeier.
Die beiden Berater ahnen, dass Software- Experten in Firmen argwöhnisch auf neue Technologien schauen, aus Angst um die eigene Stellung. Tatsächlich verspricht die Unternehmensberatung Solid-Servision ihren Kunden Mehrwert mit weniger Mitarbeitern. Doch Steinmeier sagt, die „frei werdenden Ressourcen“ müssten auf neue Bereiche verlagert werden. Die gelte es zu finden. Kein Unternehmer sei interessiert an einem schrumpfenden Geschäft.
Rasches Wachstum, das haben Steinmeier und Hallasch in den vergangenen Jahren geschafft. Einmal mussten sie bremsen, den leitenden Mitarbeitern wurde der Nachwuchs zu viel. Trotzdem blieb immer mal Zeit, mit 70 Kollegen zum Skifahren nach Österreich zu reisen. Ein anderer Firmenausflug führte auf ein Segelboot – als Überraschung. Als Hallasch während der Anreise die Wetterprognose durchgab, versuchten einige der Ingenieure, schon den passenden Ort dazu herauszufinden.
Nun hat das Unternehmen 65 Kunden, vorwiegend global aktive. Der Glashersteller Schott hat erlaubt, ihn zu nennen. Außerdem gehört ein großer Autokonzern dazu, ein Getränkehandel und ein großer Paketdienst, der auch in der Slowakei betreut wird. Voriges Jahr wuchs der Umsatz von Solid-Servision von sechs auf acht Millionen Euro. Ziel für 2017 sind 13,5 Millionen, für 2019 dann 26 Millionen. Im Bürohaus in Kesselsdorf ist noch Raum, allerdings wird es Zeit für den geplanten Parkplatz.
Fünf Jahre lang haben Steinmeier und Hallasch gemeinsam nach einem solchen Geschäftsmodell gesucht. Damals waren beide noch Angestellte – bei Globalfoundries, in Dresdens größter Fabrik. Steinmeier war Manager für Informationstechnologie in dem Mikrochip-Unternehmen, der Kaufmann Hallasch im Fabrik-Controlling. Sie gründeten ihre eigene Firma, zogen selbst Kabel im Boden, riskierten ihr Erspartes, hatten schlaflose Nächte. Heute sind sie stolz, „als größter deutscher Partner die Wachstumsmaschine Service Now nach Deutschland geholt“ zu haben.
Sie wollen Unternehmen Technologie und Organisation aus einer Hand liefern. Anderswo, sagt Steinmeier, komme zuerst der Berater in Nadelstreifen. Der schreibe eine Strategie. Dann komme der Programmierer in Turnschuhen, viel Zeit vergehe. Ihr Unternehmen sei anders und richte sich auch nach geänderten Anforderungen zwischendurch. „Einen gewissen elitären Anspruch haben wir auch, aber zum Anfassen“, sagt Steinmeier. „Mit uns macht es Spaß zu arbeiten“.
Genügend Projekte zu finden sei nicht schwer: „Futter ist genug da.“ Aber die richtigen Leute zu finden und Qualitätsführer zu bleiben, das bleibe schwer. Dass Softwarefirmen mit Tischtennis und Kicker locken, kennen die Chefs. „Das haben wir auch.“ Dazu bieten sie „ein internationales Umfeld mit weltoffenen Menschen aus 13 Nationen“. Wer reisen wolle, habe Gelegenheit dazu. Wer Familie habe, berate eher vom Büro aus. Auf der Internetseite der Firma schwärmt ein Mitarbeiter von der „Work-Life-Balance“, dem Ausgleich zwischen Beruf und Leben. Die Chefs allerdings hatten oft mehr Work als Life.
Text: Georg Moeritz
Foto:Thomas Kretschel