Nicht nur beim Volleyball ein eingeschworenes Team: Mitarbeiter des Ingenieurbüros für Wasser und Boden (IWB). Mittendrin Chef Wolfram Kritzner (links, mit Brille) und Sohn Martin (rechts, mit Brille).
Bester Mitarbeiterversteher gesucht
Der bedeutendste Wirtschaftspreis im Freistaat „Sachsens Unternehmer des Jahres“ startet in seine 15. Saison. Diesmal wird in einer neuen Sonderkategorie auch der beste Arbeitgeber geehrt.
BANNEWITZ — Wolfram Kritzner schlägt auf. Der Chef des Ingenieurbüros für Wasser und Boden liebt es, wenn um ihn herum gebaggert, gekratzt und angewichst wird. Dann ist Donnerstag und ein Teil seiner Belegschaft beim wöchentlichen Volleyballtraining in einer Dresdner Halle. Das eigenwillige Vokabular der Sportart meint das untere Zuspiel, die letzte Rettung des Balls vor dem Bodenkontakt und das bewusste Anschlagen des gegnerischen Blocks – durchaus jugendfrei.
Auch durch derlei Teambuilding-Maßnahmen sichert sich das Ingenieurbüro in Zeiten allgemeiner Personalnot seinen Nachwuchs. „Ich habe im vorigen Jahr einen aktiven Volleyballer eingestellt, und er hat noch drei Mitspieler mitgebracht“, sagt Kritzner, der 1992 als Zwei-Mann-Betrieb begonnen und mittlerweile 63 Beschäftigte hat: am Sitz in Bannewitz (Landkreis Sächsische Schweiz), in Dresden, Leipzig, Stendal und Cottbus.
Sein Unternehmen hat sich in den Jahrzehnten immer neue Arbeitsgebiete erschlossen: Wasserwirtschaft, Wasserbau, Gas- und Fernwärmeversorgung, Straßenbau und Verkehrsanlagen – sodass der Titel „Infrastruktur-Spezialist“ nicht übertrieben ist. Das Ingenieurbüro ist bundesweit aktiv: ob Tunnel unterm Mannheimer Altrhein, Wasserwerk in Berlin-Tegel oder Trinkwasserfernleitung in Nürnberg.
„Stürmisches Wachstum“, wie es der Chef nennt, auf fünf Millionen Euro Jahresumsatz verlangt entsprechendes Personal. Und der Konkurrenzkampf um die besten Köpfe beginnt früh. „Wir haben ein gutes Verhältnis zu den Hochschulen und suchen den Kontakt zu Studenten schon im 2. und 3. Studienjahr“, sagt der promovierte Wasserwirtschaftler. Gerade habe jemand einen Arbeitsvertrag unterschrieben, der noch an seiner Masterarbeit schreibt.
Praktikanten schwärmen dann auf der Firmen-Webseite vom „angenehmen Arbeitsklima“, von früher Einbeziehung in Projekte und vom „familiären Miteinander“ der Kollegen. Der Chinese Yongjiang Liu schreibt noch: „Sie waren sowohl meine Fach- als auch Deutschlehrer.“ Solche Urteile ziehen und sind Mund-zu-Mund-Propaganda für einen Top-Arbeitgeber, der noch dazu soziale Einrichtungen wie das Epilepsiezentrum Kleinwachau bei Radeberg finanziell unterstützt.
Sport wird großgeschrieben bei IWB. Das Firmenkürzel passt bei Tischtennis-, Fuß- und Volleyballturnieren besser auf die Trikots. Die Woche ist fast durchgetaktet: dienstags Volleyball, mittwochs Lauftraining im Großen Garten, donnerstags Gymnastik, freitags alle zwei Wochen Massage. „Alles nur Kleinigkeiten, damit man sich wohlfühlt“, stapelt Teamchef Kritzner tief. Der 60-Jährige spendiert seinen Leuten auch Betriebsausflüge mit Übernachtung – wie zuletzt zum Wasserstraßenkreuz Magdeburg – und zum 25. Firmenjubiläum vier gemeinsame Tage auf Mallorca.
So wie im Bannewitzer Ingenieurbüro gearbeitet wird, möchten andere gern Urlaub machen. „Ganz so ist es nicht“, stellt der Unternehmer klar. Er habe hohe Ansprüche, weiß aber um die Bedeutung des Wohlfühlfaktors für gute Arbeitsergebnisse. Er achte darauf, dass die Work-Life-Balance stimmt. „Schließlich sind wir kinderreich, meine Belegschaft hat 80 Kinder“, so der Chef, selbst zweifacher Vater und Opa.
„Ich habe keinen Betriebsrat – und doch einen Betriebsrat, mit dem ich mich regelmäßig treffe“, sagt er mehrdeutig. Auch um seine Nachfolge müsse er sich nicht sorgen. Seine Söhne Georg und Martin sind Mitgesellschafter und Geschäftsführer.
Die Oni Temperiertechnik Rhytemper GmbH in Großröhrsdorf eint mit den Bannewitzern nicht nur ein langer Firmenname. Bei dem Unternehmen nahe Radeberg geht es neben optimierter und punktgenauer Temperierung von Werkzeugen für Kunststoffspritzgießereien und die Alugussindustrie auch um optimale Arbeitsbedingungen. Mit ihren Produkten, die auch Energie und Zeit sparen, hat die Tochter der Oni-Wärmetrafo GmbH in Lindlar laut ihrer Webseite weltweit eine Alleinstellung inne.
Auch die Wohltaten der Chefs für ihre Belegschaft sind nicht von der Stange. „Wenn ein Mitarbeiter ein Wehwehchen hat, das in einer Spezialklinik behandelt werden muss, dann zahlt das Inhaber Wolfgang Oehm privat“, berichtet Falk Liebsch, der das operative Geschäft führt. Kleine Grillrunden und gemeinsame Wandertage festigen den Zusammenhalt der 52 Beschäftigten.
Außerdem investiert das Unternehmen in die Aus- und Weiterbildung, bietet etwa Schulen Neigungskurse an, die potenziellem Nachwuchs zeigen, was Mechatronik und ein Elektroschaltplan ist. „Jeder Dritte hatte noch nie einen Schraubendreher in der Hand, aber alle sind perfekt auf dem Smartphone“, sagt Liebsch. Der Aufwand lohnt sich, und der Chef registriert wieder mehr bessere Bewerbungen. Auf solche ist die von der Flaute in der Autoindustrie gebeutelte Firma auch angewiesen. Trotz der Auftragsrückgänge gelingt Schadensbegrenzung, liegt der Umsatz 2019 mit voraussichtlich 10,5 Millionen Euro nur knapp unter dem des Vorjahres.
Wolfram Kritzner, der Chef und Mehrheitseigner des Bannewitzer Ingenieurbüros für Wasser und Boden, ist „stolz auf jeden meiner Mitarbeiter“ und weiß um deren Marktwert. Darunter ist mit dem Bobfahrer Martin Grothkopp, Anschieber von Pilot Francesco Friedrich im Vierer, auch ein Olympiasieger von 2018. Der Dresdner ist im Sommerhalbjahr auf 25-Stunden-Basis voll in Projekte der Wasserwirtschaft eingebunden und kann sich dennoch der Vorbereitung auf die Heim-WM im Februar in Altenberg widmen. „Wir ermöglichen Martin den Spagat zwischen Job, Familie und Beruf, aber seine Arbeit wird bewertet wie die jedes anderen“, sagt der Firmenchef. Kein Neid, keine Extrawurst für den Champion. „Er ist im Tischtennis nur Zehnter, und auch im Volleyball kann er noch was lernen“, frotzelt Kritzner.
Bei der Weihnachtsfeier des Ingenieurbüros für Wasser und Boden am Nikolaustag stellen sich alle neuen Mitarbeiter in einem Kulturprogramm vor. Es wird ein längerer Abend werden – auch dank Wolfram Kritzners ausgefallener und erfolgreicher Methoden zur Mitarbeitergewinnung und -bindung.
Bei vielen Firmen in Sachsen gibt’s für die Beschäftigten ebenfalls zum Lohn was obendrauf: betriebliche Altersvorsorge, Darlehen, Kinderbetreuung, Fitnessraum, Sauna, Rückenschule, Benzingutscheine, Jobticket, Firmenfahrräder. Bei der Dresdner Robotron Datenbank-Software GmbH steht eine Kletterwand im Foyer. Wer ist noch so ein Mitarbeiterversteher? Bewerben Sie sich oder schlagen Sie jemanden vor!
Ingenieurbürochef Wolfram Kritzner schlägt auf zur Unternehmerpreis-Saison 2019/20 mit der Sonderkategorie „Fokus X – bester Arbeitgeber“. Ob es auch zu Satz, Sieg und Preisgeld – 60.000 Euro Me- diabudget – reicht, steht im kommenden Mai fest.
Die Träumende für erfolgreiche Unternehmer
Die vergoldete Bronzestatue der Künstlerin Malgorzata Chodakowska steht für den Gewinner bereit – Gründer erhalten Medialeistungen
CHEMNITZ/DRESDEN/LEIPZIG — „Sachsens Unternehmer des Jahres“, der wichtigste Wirtschaftspreis im Freistaat, wird zum 15. Mal vergeben. Am Wettbewerb sind alle großen Tageszeitungen in Sachsen und der Mitteldeutsche Rundfunk beteiligt. Die Siegerin oder der Sieger wird im Mai 2020 in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden geehrt und erhält „Die Träumende“, eine vergoldete Bronzestatue von Malgorzata Chodakowska – auf Dauer, denn es ist kein Wanderpokal.
Bis zum 7. Februar 2020 können sich Unternehmerinnen und Unternehmer bewerben oder vorgeschlagen werden. Die Teilnahmebedingungen: mindestens zehn Mitarbeiter, 500.000 Euro Jahresumsatz, fünf Jahre am Markt, Anteile am Unternehmen, das mehrheitlich in Privatbesitz sein muss. Wichtigstes Auszeichnungskriterium ist eine besondere unternehmerische Leistung im Jahr 2019 – zum Beispiel Erhalt oder Schaffung von Jobs, Lehrstellen, Innovationen, Akquisitionen, Engagement für die Region oder auch eine erfolgreiche Krisenbewältigung.
Besonderes Augenmerk wird in diesem Jahr auf herausragende Leistungen bei der Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung gelegt, die in der neuen Sonderkategorie „Fokus X – bester Arbeitgeber“ gewürdigt werden. Dabei geht es beispielsweise um Arbeitsumfeld, Gesundheit, Mitarbeiterentwicklung, Unternehmenskultur, Vorteile für Beschäftigte. Der Sieger erhält ein Mediabudget von 60.000 Euro von der „Sächsischen Zeitung“, der „Leipziger Volkszeitung“ und der „Freien Presse“.
Der Start-up-Preis wird inzwischen zum 4. Mal vergeben. Bewerber für „Sachsen gründet – Start-up 2020“ müssen ihre Firma im Zeitraum von 2015 bis 2018 gegründet haben, eine tolle Geschäftsidee und einen überzeugenden Businessplan vorweisen. Dem Champion winken ebenfalls Medialeistungen im Wert von 60.000 Euro.
Der Wirtschaftspreis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative der „Sächsischen Zeitung“, der „Freien Presse“, der „Leipziger Volkszeitung“ und des Mitteldeutschen Rundfunks sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG, der LBBW und der Gesundheitskasse AOK Plus.
Text: Michael Rothe
Foto: Thomas Kretschel